Die E-Bilanz kommt

Seite 2: Tritt auf die Bremse

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Der Bundesfinanzminister zeigte sich von der Wucht der Kritik beeindruckt und verschob die Anwendung der Neuregelung gewissermaßen im letzten Augenblick um ein Jahr; dies geschah mit der "Verordnung zur Festlegung eines späteren Anwendungszeitpunkts der Verpflichtungen nach § 5b EStG" (Anwendungszeitpunktverschiebungsverordnung – AnwZpvV). Die E-Bilanz-Bestimmungen sollten danach erst für Wirtschaftsjahre verpflichtend gelten, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen. Gleichzeitig vereinbarte der Minister die Einführung eines Pilotprojekts, um praktische Erkenntnisse über die Umsetzung seines Vorhabens zu erhalten. An diesem Projekt, das am 30. April 2011 seinen Abschluss fand, beteiligten sich aktiv 84 Unternehmen. Die Hälfte davon waren Steuer- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Erfahrungen mit dem neuen Modell sammeln wollten.

Am 16. August 2011 fand im Bundesfinanzministerium (BMF) eine Veranstaltung unter Beteiligung von Vertretern und Teilnehmern des Projektlaufs statt, in der Verbände und Unternehmen nochmals auf der Grundlage eines geänderten Anwendungsschreibens zu § 5b EStG angehört wurden. Gegenstand der Anhörung waren auch Entwürfe von Branchentaxonomien, die das BMF den Verbandsvertretern im Juni übersandt hatte. Die Verbandsvertreter bemängelten insbesondere, dass viele Unternehmen den mit der Neuregelung verbundenen Zeit- und Personalaufwand nicht einmal ansatzweise einschätzen könnten. Viele Betroffene waren lediglich durch Presseberichte auf die Notwendigkeit einer Umstellung aufmerksam geworden. Die Einschätzungen zu den Kosten dafür schwankten stark. Nach Auskunft der "BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG" rechneten 22 Prozent der Teilnehmer des Pilotprojekts mit Umstellungskosten in Höhe von 10 000 bis 50 000 Euro. Andere Verbandsvertreter sahen jedoch Aufwendungen von mehr als 50 000 Euro auf jeden Bilanzierenden zukommen.

Die Verbandsvertreter registrierten, dass der Finanzminister nicht geneigt war, das einmal begonnene Vorhaben wieder zu begraben. Insoweit versuchten sie, sich mit einer kommenden Neuregelung zu arrangieren und das Unvermeidliche mit Vorteilen zu garnieren. Der DIHT forderte insoweit den Gesetzgeber auf, die papierlose Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung in der Abgabenordnung (AO) neu zu regeln statt über § 5b EStG. Eine solche Neuregelung sollte sich den DIHT-Vorstellungen zufolge an den Daten orientieren, die nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) zu erfassen sind – so sei der exzessive Datenhunger der Verwaltung einzudämmen. Man könne sich auch einen um rund 10 Prozent höheren Datenumfang vorstellen, wenn im Gegenzug die Frist zur Aufbewahrung von steuerlichen Unterlagen (bisher zehn Jahre) verkürzt werde.

Wie sehr sich die Interessenlagen unterscheiden, verrät eine Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden der DATEV, des größten deutschen Dienstleisters für Steuerberater. Er sieht in der Einführung der E-Bilanz mittelbare Vorteile. Die elektronische Bilanz sei eine zwingende Komponente im Risikomanagementsystem der steuerlichen Veranlagung. Der Mandant (Steuerberater) werde aufgrund der E-Bilanz zu seinem Glück gezwungen: Durchgängige elektronische Prozesse im Rechnungswesen erzielten notgedrungen Rationalisierungseffekte. Auch der DATEV-Repräsentant Prof. Dieter Kempf glaubt, es sei zielführender, die Regelungen zur E-Bilanz in der AO zu verankern. Wenn sich jedoch nicht gleichzeitig an der Frist der Rechtssicherheit etwas ändere, wäre das Vorhaben ihm zufolge nicht konsequent durchdacht. Übersetzt bedeutet dies, dass Kempf über die E-Bilanz sicherstellen möchte, dass die Bestandskraft der Steuerbescheide schneller eintritt. Das mag für die DATEV wünschenswert sein, für Unternehmen und Berater jedoch würde es den Termindruck verschärfen, weil sie im Zweifelsfall schneller Rechtsmittel einlegen müssten.