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Kein geldwerter Vorteil bei unbefugter Dienstwagennutzung

Marzena Sicking

Das Finanzamt darf keinen geldwerten Vorteil besteuern, den sich der Arbeitnehmer ohne Wissen des Arbeitgebers – etwa durch private Dienstwagennutzung – gegönnt hat.

Die Versteuerung des geldwerten Vorteils [1] bei einer privaten Nutzung des Dienstwagens [2] setzt voraus, dass das Fahrzeug dem Arbeitnehmer [3] tatsächlich auch für diese Zwecke überlassen worden war. Denn damit ein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil entsteht, muss der Arbeitgeber [4] mit dieser Verwendung [5] ausdrücklich einverstanden gewesen sein.

In dem verhandelten Fall ging es um einen Autoverkäufer. Sein Arbeitgeber gestattete offiziell die berufliche Nutzung der Vorführwagen für Probe-, Vorführ- und Besuchsfahrten. Für die Fahrzeuge wurden keine Fahrtenbücher geführt. Die private Nutzung der Autos war hingegen grundsätzlich verboten. Zugleich war der Arbeitnehmer laut seinem Arbeitsvertrag aber dazu verpflichtet, ein Fahrtenbuch [6] für seine Fahrten zu führen [7] und die Benzinkosten für Autofahrten, die außerhalb des beruflichen Bereichs lagen, selbst zu tragen.

Aufgrund einer mündlich erteilten Zusage nutzte der Kläger einen der preiswerteren Vorführwagen für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Sein Arbeitgeber führte eine entsprechende Versteuerung durch und legte als Basis den Bruttolistenpreis von 23.000 Euro zugrunde. Einmal wurde der Verkäufer abgemahnt, weil er gegen die arbeitsvertragliche Nutzungsregelung verstoßen hatte: er hatte während seiner Urlaubszeit einen Vorführwagen auf Rechnung der GmbH [8] betankt, anstatt diese Benzinkosten selbst zu übernehmen.

Bei einer Lohnsteueraußenprüfung kam das Finanzamt dennoch zu der Erkenntnis, hier habe eine regelmäßige private Nutzung der Vorführwagen durch den Arbeitnehmer vorgelegen. Das Finanzamt setzte deshalb einen zusätzlichen geldwerten Vorteil an. Da nicht mehr geklärt werden konnte, welche Vorführwagen der Arbeitnehmer [9] tatsächlich genutzt hat, nahm das Finanzamt als Basis für die Besteuerung einfach den durchschnittlichen Bruttolistenpreis [10] der Vorführwagen im niedrigen Preissegment. Der lag allerdings deutlich höher als die Basis, von der der Arbeitgeber ausgegangen war.

Die Firmenleitung legte Einspruch ein und berief sich unter anderem darauf, dass das Nutzungsverbot für rein private Fahrten in den Autohäusern durch das Aufschreiben der Kilometerstände genau geprüft werde. Die Kilometerstände würden wöchentlich von den Verkäufern an die Filiale weitergegeben und per Fax an die Hauptniederlassung übermittelt, wo sie wiederum in Excel-Dateien erfasst werden. Die Angaben würden überprüft, erst wenn das Fahrzeug verkauft werde, werden die Excel-Dateien gelöscht. Deshalb seien entsprechende Unterlagen zu betreffendem Fall nicht mehr vorhanden. Man sei aber sicher, dass der Verkäufer das Auto nur für berufliche Fahrten inklusive An- und Abreise zu Arbeit genutzt habe, denn man überlasse Vorführwagen nur Verkäufern, die auch über eigene Pkw verfügen.

Das Finanzamt lehnte den Einspruch ab und ging weiterhin von einem Anscheinsbeweis für eine private Nutzung der Vorführwagen aus. Das arbeitsvertragliche Verbot sei wegen der unzureichenden Überwachung desselben zu vernachlässigen.

Auch der 1. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts [11] wies die Klage mit Urteil vom 11. März 2010 zunächst ab. Diese Entscheidung wurde vom Bundesfinanzhof aber aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Das Finanzgericht sollte insbesondere prüfen, ob das Nutzungsverbot für private Zwecke nur zum Schein ausgesprochen worden sei und eventuell eine konkludent getroffene Nutzungsvereinbarung vorliege.

Im zweiten Anlauf bekam die GmbH Recht (Urteil vom 03.05.2012, Az.: 1 K 284/11). Der angefochtene Bescheid wurde als rechtswidrig angesehen. Das Finanzamt dürfe keinen geldwerten Vorteil für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge ansetzen. Überlasse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Fahrzeuge unentgeltlich oder verbilligt auch zur privaten Nutzung, so führe das zu einem geldwerten Vorteil, der versteuert werden muss. Voraussetzung für diese Besteuerung sei aber, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, ihm also gestattet ist, den Dienstwagen privat zu nutzen. Gibt es hingegen ein entsprechendes Verbot über das sich der Arbeitnehmer hinweg setzt, hat diese unbefugte Privatnutzung keinen Lohncharakter. Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers selbst zuteilt, werde nicht "für" eine Beschäftigung gewährt und zähle damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG [12], so die Begründung der Richter. (map [13])
(masi [14])


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[7] https://www.heise.de/resale/artikel/Mindestanforderungen-fuer-ordnungsgemaesses-Fahrtenbuch-1584461.html
[8] https://www.heise.de/resale/artikel/Partnerschaftsgesellschaft-mit-beschraenkter-Berufshaftung-kommt-1587001.html
[9] http://www.heise.de/thema/Arbeitnehmer
[10] https://www.heise.de/resale/artikel/1-Prozent-Regelung-ist-verfassungsgemaess-1362662.html
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