Pay or OK: Verleger warnen vor Frontalangriff auf Geschäftsmodell der Presse
Mit großer Sorge verfolgen Verlegerverbände die Überlegungen des Europäischen Datenschutzausschusses, Leitlinien für "Pur-Abo-Modelle" zu beschließen.
Der Medienverband der freien Presse (MVFP) und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) laufen Sturm gegen Erwägungen des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA), die umstrittenen Pay-or-Consent-Angebote der Verlage zu beschneiden. Anlässlich eines Treffens der EU-Datenschutzbeauftragten mit Interessenvertretern in Brüssel am Montag verweisen die Verbände darauf, dass die ins Spiel gebrachte verpflichtende dritte Angebotsvariante keinerlei Grundlage im Datenschutzrecht habe. Zudem würde ein solcher Schritt die Finanzierung freier Presse im Netz massiv schädigen: Es drohe ein "Frontalangriff auf Geschäftsmodelle" der Verleger.
Bei dem dritten Weg sollen Leser für die Zeitungs- oder Zeitschriftenlektüre weder interessenbasierter, gezielter Werbung inklusive Tracking zustimmen (Consent) noch eine Zahlung leisten müssen (Pay). Für die zwei Verbände indes steht die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der von Pressepublikationen in ganz Europa praktizierten Pay-or-OK-Modelle außer Frage.
Die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern erklärte solche "Pur-Abo-Ansätze" 2023 grundsätzlich für zulässig. Demnach müssen für Tracking alle Anforderungen an eine informierte, wirksame Zustimmung nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erfüllt werden. Die EU-Datenschutzbeauftragten haben dazu bereits Leitlinien aufgestellt.
Bürgerrechtler: Pay or OK mit DSGVO unvereinbar
Sollte der EDSA "auch nur den Anschein erwecken, das Datenschutzrecht verlange" einen dritten Weg, würde sich das Gremium laut MVFP und BDZV "in verantwortungsloser Weise über die eindeutige Rechtsprechung" des Europäischen Gerichtshofs hinwegsetzen. Zudem sähen sich die Verlage gezwungen, "ihre mit hohen Kosten erstellten redaktionellen Produkte – außerhalb von harten Bezahlschranken – gratis oder gegen eine zu geringe wirtschaftliche Gegenleistung abgeben zu müssen". Leser- und Werbeumsätze seien angesichts der laufenden Transformation auf Digitalausgaben aber "je für sich unverzichtbar".
Die Bürgerrechtsorganisation Access Now will dagegen mit einem Bericht verdeutlichen, dass das zentrale Problem dieser Modelle "ihre Unvereinbarkeit mit der DSGVO" und der EU-Grundrechtecharta sei. Pay or OK mache "Privatsphäre zu einem Luxusgut", betont die Vereinigung. Solche Ansätze zwängen Menschen dazu, "invasiver verhaltensbasierter Werbung zuzustimmen" oder für die Inanspruchnahme ihres Rechts auf Informationsfreiheit zu bezahlen. Aufgrund der bisher "fragmentarischen und unzureichenden Reaktion der EU" sei Pay or Consent zum Standardmodell tausender Firmen avanciert.
Aus für die "echte" Einwilligung befürchtet
Im Zentrum der Kritik von Bürgerrechtlern steht die Übernahme des Abo-Modells durch Meta für Facebook und Instagram. "In Wirklichkeit haben die meisten Menschen keine andere Wahl, als die Verwendung ihrer Daten zu akzeptieren, wenn sie mit einer solchen Gebühr konfrontiert werden", moniert der Gründer der österreichischen Datenschutzorganisation Noyb, Max Schrems. "Dabei hat die große Mehrheit kein Interesse daran, getrackt zu werden. Dies ist ein großes Problem." Sollte der EDSA in seiner geplanten verbindlichen Stellungnahme den Ansatz von Meta legitimieren, könnten Unternehmen aus allen Branchen diesem Beispiel folgen. Dies würde wiederum das Ende der "echten" Einwilligung bedeuten. Die EU-Kommission prüft Metas Bezahlmodell aktuell auf Basis des Digital Markets Act (DMA)
Noyb verklagte im Sommer auch die Hamburgische Datenschutzbehörde, weil sie das Pay-or-OK-Modell vom Spiegel nicht beanstandete. Viele relevante Tatsachen seien in dem Fall nie untersucht worden.
Transparenzhinweis: heise online bietet selbst ein Pur-Abo an. Die Heise Medien GmbH & Co. KG ist Mitglied im Medienverband der freien Presse (MVFP).
(mki)