ARM vs. Qualcomm: Gerichtsverhandlung liefert viele neue Details

ARM will höhere Lizenzabgaben von Qualcomm; Qualcomm will nicht zahlen. Der Streit ist jetzt vor Gericht gelandet.

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Offenes Notebook mit Qualcomm Prozessor

Ein Notebook mit Snapdragon-X-Prozessor, der Nuvia-Technik verwendet.

(Bild: c't / mue)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die eng verbandelten Geschäftspartner ARM und Qualcomm lassen es ihrem Lizenzkonflikt auf eine Gerichtsverhandlung ankommen. Seit Qualcomms Übernahme des Prozessor-Start-ups Nuvia im Jahr 2021 schwelt der Streit, weil ARM sich benachteiligt sieht. Am Montag kam es vor dem US-Bundesgericht in Delaware zum ersten Gerichtstermin (Aktenzeichen 1:22-cv-01146). Im Laufe des Verfahrens werden beide Seiten versuchen, die Geschworenen von ihrer Version der Geschichte zu überzeugen.

ARM argumentiert, dass Qualcomm die von Nuvia entwickelten CPU-Kerne mit ARM-Architektur unerlaubt in eigenen Prozessordesigns wie Snapdragon X verwendet. Nuvias Abkommen sah demnach niedrige Lizenzgebühren, aber dafür deutlich höhere Abgaben (Royalties) pro hergestellten Chip vor – bei den von Nuvia designten Serverprozessoren wäre das wegen deren höheren Margen kein Problem gewesen. Qualcomm zahlt aber nur die niedrigeren Abgaben des eigenen Abkommens.

Nuvia war offenbar ARMs große Hoffnung, bei Servern den eigenen Marktanteil gegen AMDs und Intels x86-Konkurrenz auszubauen. Qualcomm portierte das Kerndesign zunächst aber auf Notebook-Prozessoren und dann Smartphone-Chips – mit dem Argument, dass die eigene Lizenz auch Custom-Kerne abdecken würde.

Seit zwei Jahren konnten sich die Beteiligten nicht einigen. Der Konflikt geht so weit, dass ARM Qualcomm die Lizenz entzog und als Druckmittel öffentlich die Zerstörung aller Prozessoren mit Nuvia-Technik forderte.

Dabei ist der Streitwert vergleichsweise gering: Laut internen Dokumenten, die den Geschworenen vorgelegt wurden, geht es fĂĽr ARM um einen verpassten Umsatz von 50 Millionen US-Dollar.

Insbesondere für Qualcomm ist das ein Kleckerbetrag. Die Firma setzte im letzten Geschäftsjahr knapp 39 Milliarden US-Dollar um und machte gut 10,1 Milliarden US-Dollar Gewinn. Für ARM sind solche Beträge schon wichtiger: Im letzten Geschäftsjahr machte die Firma 306 Millionen US-Dollar Gewinn bei einem Umsatz von gut 3,2 Milliarden. Das Geschäft mit Qualcomm soll circa 10 Prozent von ARMs Jahresumsatz ausmachen.

ARM versucht schon seit Jahren, die eigenen Umsatzquellen auszuweiten, speziell durch die Erschließung neuer Märkte für ARM-Chips.

Bisher gibt es noch keine Abschrift des ersten Verhandlungstages. Die US-Nachrichtenagentur Reuters berichtet jedoch vom Gericht. Demnach befragten beide Seiten vornehmlich ARM-Chef Rene Haas.

Qualcomms Anwaltsteam legte Beweise vor, wonach ARM eigene Chips entwerfen und fertigen lassen wolle. Qualcomm und andere Lizenznehmer würden dann benachteiligt. Der indirekte Vorwurf: Wettbewerbsverzerrung. Haas entgegnete, dass ARM keine Chips hergestellt hat und nie ins Geschäft eingestiegen ist, er als Chef aber immer verschiedene mögliche Strategien in Betracht ziehe.

ARM soll zudem Dutzenden Qualcomm-Kunden mitgeteilt haben, dass der Rechtsstreit in der Zerstörung der Nuvia-Prozessoren münden könnte, was Unsicherheit geschürt habe. Haas sieht sich im Recht, weil viele Partner und Kunden nachgefragt hätten.

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Weitere Details liefern Forbes und Tantra Analyst. Demnach verhandelten ARM und Qualcomm acht Monate über eine Einigung. ARMs letztes Angebot sah eine Einmalzahlung von 123 Millionen US-Dollar vor. Qualcomm hätte die eigenen niedrigen Pro-Chip-Abgaben für Smartphones behalten, aber die höheren Nuvia-Abgaben für Notebooks, Desktop-PCs, Automotive und Server bezahlen müssen. Die große Krux: ARM wollte den übernommenen Nuvia-Ingenieuren drei Jahre lang jegliche Arbeiten an neuen ARM-Designs verbieten. Qualcomm lehnte ab.

Haas verteidigte ARMs Konfrontationskurs zudem mit generell niedrigen Gebühren für Qualcomm und einen weiteren Mitbewerber – womöglich Apple. Ein Architecture License Agreement (ALA), das die Nutzung der ARM-Architektur erlaubt, aber keine Kerndesigns beinhaltet, enthält demnach Pro-Chip-Abgaben von 1,1 Prozent der Chipkosten. Mit einem Technology License Agreement (TLA), das ARMs Cortex-Kerne beinhaltet, steigen die Pro-Chip-Abgaben auf 5,3 Prozent. Qualcomm habe Nuvia laut Haas übernommen, um nur noch die ALA- und nicht mehr die TLA-Kosten zahlen zu müssen.

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Die Gerichtsverhandlung wird in den nächsten Tagen fortgesetzt. Voraussichtlich ab Donnerstag sollen sich die Geschworenen über das Urteil beraten.

Aus den Gerichtsdokumenten geht derweil hervor, dass Qualcomm erst einmal so weitermacht wie bisher. Die Firma arbeitet demnach auch schon an einer neuen Prozessorgeneration mit Nuvia-Technik auf ARMv9-Stand – die aktuellen Kerne beherrschen nur ARMv8 ohne die neuen Vektoreinheiten.

Eine Randnotiz wert: Auch Apple und Ampere Computing werden durch Anwälte vor Gericht als Zuschauer vertreten. Apple hat vor Gericht beantragt, dass das eigene Lizenzabkommen mit ARM geheim gehalten wird.

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