Gewerkschaftlich organisiert: Amazon.com schließt alle Lager in Québec
Ein einziges Amazon-Lager in Kanada ist gewerkschaftlich organisiert. In Québec. Der Konzern schließt dort nun alle sieben Lager.
(Bild: Daniel AJ Sokolov)
Der Handelskonzern Amazon.com schließt alle seine sieben Lager in der kanadischen Provinz Québec und stellt auf kleine, private Dienstleister um. Das kostet nach Medienberichten 1.700 bis 1.800 Arbeitsplätze direkt bei Amazon sowie tausende weitere bei Zustelldienstleistern, die die Waren von den Lagern zu den Kunden gebracht haben.
Eines der sieben Lager ist seit dem Vorjahr das erste kanadische Amazon-Lager, das gewerkschaftlich organisiert ist. Es zählt etwa 300 Beschäftigte. Zuletzt hat die Gewerkschaft von Amazon eine Erhöhung der Mindeststundenlöhne von 20 auf 26 kanadische Dollar gefordert, was aktuell umgerechnet 17,38 Euro wären. Aufgrund geringer Fortschritte bei den Verhandlungen hat die Gewerkschaft gerade einen Antrag auf ein Schlichtungsverfahren vorbereitet, das im Arbeitsrecht Québec als Vorbeugung gegen Streiks vorgesehen ist.
Videos by heise
Laut Amazon haben die Schließungen aber überhaupt nichts damit zu tun, dass die Arbeiter in Québec gegen Amazons Widerstand entschieden haben, sich zu organisieren. Externe Dienstleister seien einfach billiger, und für Kunden werde sich nichts ändern. Im Sommer hat das Arbeitsverwaltungsgericht der Provinz Amazon wegen rechtswidriger Behinderung der Gewerkschaft in einem Lager zu 10.000 Dollar Schadenersatz zuzüglich 20.000 Dollar Strafschadenersatz verurteilt. Wegen ähnlicher Vorwürfe bezüglich eines zweiten Standortes ist ein Verfahren anhängig.
Eigene Lager hat Amazon in Québec seit 2020 unterhalten. Bis dahin hat der Online-Händler in der französischsprachigen Provinz auf externe Dienstleister gesetzt. Das soll sich inzwischen als die günstigere Vorgehensweise entpuppt haben, weshalb Amazon die eigenen Einrichtungen binnen zweier Monate zusperren wird. Die Mitteilung ist am Mittwoch per E-Mail ergangen. Québec ist rund 4,7 Mal so groß wie Deutschland und hat gut 9,1 Millionen Einwohner.
Reaktionen
Der kanadische Gewerkschafts-Dachverband reagiert mit Unverständnis. "Diese Entscheidung ergibt überhaupt keinen Sinn", entrüstet sich Vorsitzende Caroline Senneville, "Nicht aus wirtschaftlicher Sicht, nichts aus operationeller Sicht. Amazon, eines der bestintegriertesten Unternehmen, vom Mausklick zur Zustellung, vertraut Lager und Distribution Dritten an? Man kann uns nur begrenzt für dumm verkaufen. Das ist komplett gegen das Geschäftsmodell, das Amazon entwickelt hat."
Betroffen hat Québecs Beschäftigungsministerin Kateri Champagne Jourdain von der nationalistisch-konservativen Partei CAQ (Coalition Avenir Québec) gegenüber La Presse reagiert. Die Provinzministerin verspricht Unterstützung bei Umschulungen, sobald Amazon die rechtlich vorgeschriebene Anzeige der Massenkündigungen erstattet hat. Eine Verbindung zur kollektiven Organisation der Beschäftigten will sie nicht sehen: "Es handelt sich um eine Reorganisation". Die Rückkehr zur früheren Vertriebsstruktur werde dem Konzern erlauben, Geld zu sparen.
Der Arbeitsminister Québecs, Jean Boulet, wollte die Hintergründe nicht kommentieren. Anders die führende Oppositionspartei der Liberalen: "Es ist klar, dass (die Gewerkschaft) wahrscheinlich ein Motiv war", sagte der amtierende Parteichef Marc Tanguay. Die öffentliche Hand müsse jetzt damit aufhören, bei Amazon zu bestellen.
(ds)