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Was war. Was wird.

Schlaaaahaahand! Als alter Hannoveraner freut sich Hal Faber schon jetzt auf ein Public Viewing auf dem neuen Konrad-Zuse-Platz, im Epizentrum des properen Techie-Standorts Schland, wo Technik alles ist und die politische Gesinnung egal.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Hurra! Schland o Schland, was lieb ich deine Plätze! Public Viewing allerorten! Vor allem die neuen sind in dieser Woche ganz wunderbar geraten. Nehmen wir nur den wunderschönen Konrad-Zuse-Platz im wunderschönen Hannover an der Leine, immerhin der größte Platz des prächtigen Messeareals. Dank der unablässigen Bemühungen des Bitkom wird dieser Konrad-Zuse-Platz die Besucher wieder zur CeBIT locken, verkörpert er doch wie kein zweiter den wunderbaren "Hey, Techie"-Standort Schland, in dem Technik alles ist und politische Gesinnung egal. Mit uns Hannoveranern freuen sich nämlich auch die Berliner, die nach der Rudi-Dutschke-Straße endlich auch eine Konrad-Zuse-Straße bekommen, am Technologiestandort Adlershof im Berliner Südwesten. Ganz wunderbar passend gewählt ist dieser Ort, denn in Adlershof saß Konrad Zuses wichtigster Geldgeber in der NS-Zeit, die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt, die mit dem Auftrag der Sonderstufe SS4902 den Bau des Zuse-Rechners mit 500.000 Reichsmark finanzieren wollte, nachdem man schon die Z3 mit 20.000 Reichsmark bezuschusst hatte.

*** Treffliches Adlershof! Dem Ort kann man nur zu dieser Konrad-Zuse-Straße gratulieren, denn auch der Auftrag für die Zuse Sondermaschinen S1 und S2 kam so angeflogen: Das waren Rechenmaschinen, die die Profile für die Gleitbomben HS 293 und HS 294 der Henschel-Werke errechneten. Diese Fernlenkwaffen sind die Vorläufer der heutigen Drohnen, mit ihnen war die Idee der Prozesssteuerung geboren, wie Konrad Zuse es in seiner Autobiografie bejubelte. Zuse kassierte für diese Rechner jeweils 90.000 und 110.000 Reichmark und erhielt zudem das Privileg, Mitarbeiter vom Militärdienst freizustellen. Jaja, der Krieg ist der Vater aller Dinge, das gilt bekanntlich auch für ENIAC und Colossus. Da wollen wir doch nicht mäkelig sein, wenn der Bitkom einen fetten Schlussstrich unter vergilbte Schaltpläne zieht. Schließlich bekommt Hamburg auch seinen Heidi-Kabel-Platz. Es war ja nicht alles schlecht, damals.

*** Schland o Schland, bei uns wird noch gearbeitet. Und ordentlich überwacht, ob ordentlich gearbeitet wird. Zu den vielen netten Meldungen, die das Hohe Lied des Datenschutzes singen, passt der Alltag in seiner ganzen Ungewaschenheit nicht. Wie wäre es mit einer Geschichte von einem Arbeitsplatz, der von einer Tag und Nacht laufenden Kamera überwacht wird und bei der sich der zuständige Datenschutzbeauftragte als der Systemadministrator entpuppt, der das alles nicht schlimm findet? Bei der die herbeigerufene Polizei keine Anzeige aufnimmt, weil es ein Arbeitsrechtsfall ist und der Leiharbeiter mit dem Unternehmer selbst klarkommen soll. Zu unwahrscheinlich. Überhaupt ist für die Überwachung in Deutschland vor allem das Bundeskriminalamt zuständig. Rechtzeitig zum Tag der offenen Tür wurde vom Bundesgerichtshof entschieden, dass unsere Superpolizei sieben Jahre lang drei Bürger rechtswidrig überwachte, weil ein vager Verdacht bestand, sie könnten der "militanten gruppe" angehören. Entlastende Gutachten des BKA wurden dabei den Ermittlungsrichtern vorenthalten, die die Grundrechtseingriffe genehmigten. Diesem verkommenen Rechtsstaat hat der RAV den Kampf angesagt. Immerhin können die illegal Belauschten ihr 10-jähriges Jubiläum öffentlich feiern. Demokratie und so. Ist ja nicht alles schlecht, heute.

*** Ulrich Wickert, der uns im Web einen klaren Einblick in die Vielfältigkeit seiner Person gibt, hat uns diese Woche mit einer Einfältigkeit überrascht. Vor der Grundsatzrede unserer Justizministerin erzählte Wickert, wie er sich in jungen Jahren im Abstauben übte, nur um anschließend zu bejammern, wie gestandene Buchautoren von Urheberrechtspiraten zum Verhungern gezwungen werden. Da hat glatt ein Kollege Recht: Eine kenntnisfreiere Einlassung zu diesem Thema gibt es nicht. Ähnlich eindrucksvoll reagierten die Verlegerverbände auf die "Lückenrede" mit einem Entwurf zum Leistungsschutzrecht, der Schnippsel, Überschriften und einzelne Sätze als schutzwürdig ansieht, weil in ihnen "viel kreative Energie" stecken würde. Da fordere ich glatt ein Energieerhaltungsgesetz, gekoppelt mit einem Verbot für unkreative Sätze. Dann werden wir hopplahopp, eine ganz andere Regierung bestaunen können, wenn aus Journalen Graduale werden.

*** Dann war da noch der Bloomsday. In einigen Teilen der Welt sprangen Joyce-Verehrer wie Buck Mulligan nackt ins nicht verölte Wasser, in anderen Teilen diskutierte man lieber die Zensur von Apple, die vornehm No-Nipple-Policy genannt wird. Schließlich ist es Apples iPad, von dem sich gerade die deutschen Verleger wahre Wunderdinge in Sachen Verwertung erwarten: Ausgebildete Journalisten (und nur sie) werden, edelsten Content formulierend, über das Wasser gehen können, während ihre Verleger am Strand den Klingelbeutel herumreichen. Natürlich kann man einfach auf zensurfreie Geräte der Konkurrenz verweisen. Ramsch, auf dem Ramsch läuft, das wäre die Antwort von Jobs kurz vor der Heiligsprechung.

*** Ein etwas kauziger Kulturtheoretiker namens Marshal McLuhan hat den Satz formuliert, bei dem Miss Verstand regelmäßig abwinkt: The Medium is the Message, das Medium ist die Botschaft. Das iPad ist so ein Medium, das eine eindeutige Botschaft hat: Alte Träume werden wahr, wenn man ein iPad benutzt und sich fühlen kann wie die Astronauten in "Kubricks 2001: Odysee im Weltraum". Beschützt von Hal 9000 mümmeln die Sternenfahrer ihr Müsli und lesen auf dem iPad die Nachrichten. Noch vor acht Jahren hat sich diese kleine Wochenschau über Minority Report amüsiert, heute sind die Hälfte der dort gezeigten Zukunftsvisionen veritable Technologien, die eingesetzt werden können. So gesehen muss es einfach beruhigen, wenn die Menschheit ihren Träumen wieder mehr Aufmerksamkeit schenkt, weil in ihnen der Wunsch nach künstlicher Intelligenz ans Tageslicht kommt. Die Singularität, das große Abschalten, kommt später.

Was wird.


Bekanntlich wird der neue Personalausweis im November eingeführt. Mit großen Worten wurde er diese Woche angekündigt. Mit dem Ausweis und den auf ihn gespeicherten Daten gehen seine Besitzer "souverän und sparsam" um. Offenbar ist das Stück Plastik so intuitiv zu bedienen wie ein iPad, oder zumindest fast. Anders lässt sich die hinterher verschickte Pressemitteilung des Innenministeriums nicht erklären, nach der man für 24 Millionen Euro "Sicherheitskits" bereitstellt, die im Kern aus einem Kartenleser für den neuen Ausweis bestehen, der von "Zuwendungsempfängern" an 1,5 Millionen Anwendungsbürger verteilt wird. Das Anfixen der Bürger, staatstragend "Zuwendungsmaßnahme" genannt, beginnt im November. Bleibt nur die Frage, ob die Zuwender zuhören können, wenn die Anwender ihre Meinung sagen. Denn die Skepsis über den neuen Ausweis ist groß. Im Zweifelsfall, das empfiehlt sogar die Zeitung für kluge Köpfe, schafft die Mikrowelle schnelle Abhilfe. Schland o Schland, was hast du schöne Kärtchen! Und sie sind nicht gelb. (vbr)