Ein Jahr Vision Pro: Hat sie sich gelohnt?

Im Frühjahr letzten Jahres flog ich nach New York City, um mir das erste Apple-Headset überhaupt zu kaufen. Das sind meine Erfahrungen aus zwölf Monaten.

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Vision-Pro-Verkaufsgespräch im Apple Store

Vision-Pro-Verkaufsgespräch im Apple Store: Erklärbedürftige Technik.

(Bild: Apple)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Schon der Erwerb der Vision Pro war für mich eine spannende Sache. Ich hätte beinahe beim Kauf keine der berühmten Apple-Präsentationen mehr bekommen, da ich leicht verspätet im Laden unter dem World Trade Center aufgetaucht war. Doch der nette Mitarbeiter half mir trotzdem. Und so erlebte ich die hochauflösenden 4K-OLED-Screens samt 3D-Aufnahmen, einem Dino, der auf mich losschritt und einer Bedienoberfläche, die dank Augen- und Fingertracking selbst in der ersten visionOS-Version nahezu makellos war.

Doch würde ich die Vision Pro, die diesen Monat genau ein Jahr lang auf dem Markt ist, wieder kaufen? Zu diesem Preis, den Apple trotz angeblichem Produktionsabschluss des aktuellen Modells immer noch nicht nach unten reduziert hat (in Deutschland ab 4000 Euro) eher: Nein. Natürlich bin ich als Technikjournalist in einer anderen Situation: Ich benötige das Gerät schon beruflich, um es regelmäßig ausprobieren zu können, etwa, wenn eine neue visionOS-Version endlich spannende neue Funktionen bringt, über die ich dann schreiben muss. Aber für Normalanwender? Viel zu teuer und ein echtes Luxusgut, so spannend die Technik auch ist. Hinzu kommen jede Menge Nickeligkeiten, die mit einer Generation 1 eines Apple-Produkts zwar normal sind, aber eben normalerweise kein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt kosten. Entsprechend sehnsüchtig warte ich auf eine günstigere Generation 2. Wann die aber kommt, weiß nur Apple allein.

Wenn man die Vision Pro einmal aufgesetzt hat, macht sie Spaß. Die Bedienung funktioniert gut, visionOS ist weitgehend stabil (für ein komplett neues Betriebssystem), die Unterhaltungsangebote sind toll (wobei 3D-Filme fast zu niedrig aufgelöst sind) und das App-Angebot ist ordentlich (auch wenn es langsamer wächst als am Anfang, dafür laufen iPad-Programme). Das Problem ist jedoch der Formfaktor. Das Gewicht des Geräts von 600 bis 650 Gramm lastet auf dem Gesicht und sorgt für "Vision Face" und "visionOS-Nacken". Der allein 353 Gramm schwere Akku ist aufgrund seines Kabels ständig im Weg. Mir gelingt es immer noch nicht, die Batterie blind über den Bajonettverschluss mit dem Headset zu koppeln. Die 3D-Druck-Lösung, den Akku am Hinterkopf zu befestigen, ist zwar witzig, schmerzt aber auf Dauer eher, als dass sie hilft.

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Die Verwendung der Vision Pro wird somit immer zu einen "Big Deal". Man greift nicht einfach zu dem Headset, wie man zu einem Notebook oder einem Smartphone greift. Man muss sich für das Gerät richtiggehend Zeit nehmen. Quasi eine achtsame Technikbenutzung. Dafür bleibt heutzutage aber kaum Zeit, was dazu führt, dass die Vision Pro nach dem Kauf nach und nach immer länger im Schrank oder auf dem Regal ihr Dasein fristet. Dafür ist sie einfach zu teuer. Zwar ist die Technik von der Konkurrenz ungeschlagen – eine Quest 3 beispielsweise hat eine gänzlich andere Bildqualität –, doch holt die Konkurrenz auf. Samsungs "Project Moohan" samt Android XR ist zwar eine Vision-Pro-Kopie, macht aber dennoch vieles richtig. Apple kann sich also nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Gänzlich weglassen darf Apple gerne die sehr merkwürdige EyeSight-Funktion, die die Augen des Nutzers nach draußen leitet und eher creepy ist. Auch das Personas-Feature für Videochats mit Avatar nutze ich eher ungern.

Hinzu kommen andere Nervereien, die eine längere Nutzung schnell offenbaren. Die Gläser der Vision Pro verschmutzen gerne und die Reinhaltung ist gar nicht so einfach (trotz mitgeliefertem Putztuch). Es gibt immer noch diverse Apple-Apps, die nicht für visionOS angepasst wurden – beispielsweise die Karten-App, was nun wirklich niemand versteht. Die Akkulaufzeit der Vision Pro ist zu gering, sodass man sich oft doppelt verkabelt (Akku hängt an Vision Pro und dem Netzteil). Die korrekten Optical Inserts zu finden (was jetzt glücklicherweise direkt in Deutschland geht), ist nicht einfach. Bei mir selbst habe ich offenbar eine zu starke Stärke erwischt. Mittlerweile bekomme ich nach Benutzung der Vision Pro nachvollziehbar (!) am Folgetag Kopfschmerzen und werde nun einen neuen Versuch mit neuen, schwächeren Gläsern starten. Bei einer Quest 3 kann man einfach seine Brille aufbehalten, was die viel einfachere Lösung ist, Apple aber augenscheinlich nicht elegant genug fand.

Die Frage ist nun, wie es mit der Vision Pro weitergeht. Wie erwähnt scheint Apple an einer zweiten Version zu arbeiten, die kostengünstiger sein soll, etwa als Vision ohne "Pro" mit etwas schlechteren Displays. Gleichzeitig wäre auch eine "normale" Vision Pro 2 angezeigt: Die aktuelle beherrscht trotz M2-Chip nämlich nicht einmal Apple Intelligence, was wirklich peinlich für Apple ist. Die ideale Lösung ist aber ein komplett anderer Formfaktor: Vision Glasses, sozusagen. Also eine echte Brille mit genau dieser Technik. Doch genau hier stockt die Entwicklung: Die Technologie ist einfach noch zu teuer und vor allem braucht sie zu viel Platz. Apple soll erst neulich zwei Projekte – eines für eine Brille, die mit dem iPhone gekoppelt wird, eines mit einer Mac-Kopplung – gestrichen haben, um weiter an einer echten Stand-alone-Brille zu arbeiten. Doch die kann noch Jahre brauchen. Immerhin hat Apple die Basis mit der Vision Pro gelegt und dank seiner Größe auch ausreichend Kapital, die Durststrecke durchzustehen.

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(bsc)