Doctolib will KI-Modelle mit anonymisierten Patientendaten trainieren

Bald will Doctolib mit anonymisierten Patientendaten KI-Modelle trainieren. Dafür hat das Unternehmen Änderungen an seiner Datenschutzerklärung vorgenommen.

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Die elektronische Patientenakte soll laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach Telemedizin ermöglichen.

(Bild: greenbutterfly/Shutterstock.com)

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Das für seinen Terminservice-Dienst bekannte Unternehmen Doctolib, das kürzlich den KI-gestützten Anrufbeantworter Aaron.ai aufgekauft hat, will jetzt Patientendaten für das Training von KI-Modellen nutzen. Dazu hat das Unternehmen seine Datenschutzerklärung geändert, wie Netzpolitik.org aufgefallen ist.

Dem Bericht zufolge sollen neben Suchdaten, Terminhistorie, Dokumenten, medizinische Notizen und vom Nutzer auf der Plattform eingegebenen medizinischen Informationen auch Sprachaufzeichnungen für das Training von KI-Modellen zur Verfügung stehen. Eine ausdrückliche Einwilligung des Nutzers ist jedoch bei der Verwendung personenbezogener Gesundheitsdaten erforderlich, wie aus der Datenschutzerklärung hervorgeht. Sofern "keine Gesundheitsdaten betroffen sind", führt Doctolib "berechtigtes Interesse" als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung an.

Doctolib braucht Daten fĂĽr (seine) KI-Modelle.

(Bild: Docotlib)

Immer mehr Unternehmen planen das KI-Training mit Patientendaten, Medatixx bietet Ärzten dafür sogar einen Preisnachlass, wenn sie Daten aus dem Praxisverwaltungssystem bereitstellen. Auch Big Tech wie OpenAI, Microsoft, Meta und Google sind interessiert an Gesundheitsdaten, um ihre KI-Modelle zu trainieren.

Für seine KI-Vorhaben setzt Doctolib neben selbst entwickelten KI-Modellen auch auf "bewährte Technologien" wie Whisper (Speech-to-Text-to-Speech) und GPT-4o (Text-to-Summary) von OpenAI, heißt es vom Unternehmen auf Anfrage von heise online. KI-Modelle würden erst "nach ausdrücklicher Zustimmung mit anonymisierten Daten trainiert und weiterentwickelt". Zudem verspricht das Unternehmen, die Datenschutzrichtlinien strikt einzuhalten und die Daten lediglich auf Servern in Europa speichern zu wollen.

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Inzwischen verfügt Doctolib europaweit über 80 Millionen Nutzer und verkündete für Frankreich den Start einer elektronischen Patientenakte, die als mögliche Konkurrenz zur staatlichen Version, der "Mon espace santé", gilt. Das berichtete die Huffington Post Ende 2024. In Deutschland ist Doctolib, das ursprünglich aus Frankreich stammt, ebenfalls weitverbreitet. Arztpraxen bieten Termine häufig nur noch über Doctolib an.

Anlässlich des Europäischen Datenschutztags appellierte auch der hessische Datenschutzbeauftragte Alexander Roßnagel, Rücksicht auf alle zu nehmen, "die nicht mitgehen können oder wollen". Die Nutzung einer App mit dem Zwang zur Preisgabe persönlicher Informationen ist laut Roßnagel nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung vereinbar. Eine Terminvereinbarung über einen KI-Chatbot befürworte er nicht.

Begünstigt wird die Nachfrage nach Angeboten wie dem von Doctolib, das bereits eine Vorgeschichte in Bezug auf Datenschutz hat, durch Schwierigkeiten bei der Vergabe von Arztterminen – vor allem bei niedergelassenen Ärzten. Das hat verschiedene Ursachen, wie Personalmangel in Arztpraxen. Erst kürzlich hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen eine Umfrage veröffentlicht: 42 Prozent der befragten gesetzlich Versicherten glauben, dass sich die Wartezeiten für Arzttermine in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert haben. 44 Prozent der Versicherten sind zudem mit der telefonischen Erreichbarkeit der Arztpraxen unzufrieden. Befragt wurden 3512 gesetzlich Versicherte im Alter von 18 bis 80 Jahren im Zeitraum vom 05.03.2024 bis 29.04.2024 über ein Onlinepanel.

"FĂĽr eine verbesserte Terminvergabe schlagen wir eine gesetzliche Regelung vor, nach der alle Arztpraxen einen festzulegenden Anteil ihrer GKV-Termine tagesaktuell auf einem Onlineportal zur VerfĂĽgung stellen", heiĂźt es von Stefanie Stoff-Ahnis, der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes. Ebenso sollten Praxen bei der Terminvergabe nicht mehr fragen, ob jemand privat oder gesetzlich versichert ist.

Gegenüber dem Ärzteblatt erklärt der Pressesprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dass es in Deutschland mit einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakten pro Jahr einen "niedrigschwelligen Zugang zur medizinischen Versorgung" gebe. Ein Großteil davon sollen Behandlungen in Arztpraxen ausmachen.

(mack)