KI-Update kompakt: LeCun zu AGI, OpenAI, Gradual Disempowerment, Mistral LeChat
Das "KI-Update" liefert werktäglich eine Zusammenfassung der wichtigsten KI-Entwicklungen.
- Isabel GrĂĽnewald
- The Decoder
Yann LeCun glaubt nicht an die Zukunft generativer KI
Meta FAIR (Fundamental AI Research) feiert sein zehnjähriges Bestehen in Paris unter der Leitung von Yann LeCun, der kürzlich sowohl den Turing-Preis als auch den Queen Elizabeth Preis für seine Arbeit im Bereich Machine Learning erhielt.
In seinem zentral gelegenen, modernen Pariser Büro präsentierte Meta verschiedene Innovationen. Darunter einen Roboterhund namens Spot als Haushaltshilfe, der über ein Quest-Headset gesteuert werden kann. Gleichzeitig stellte das Unternehmen das Open-Source Framework "Partnr" zur Weiterentwicklung von Robotertechnik vor, sowie einen Benchmark mit 100.000 Roboteraufgaben. Bemerkenswerte Fortschritte wurden auch in der Gehirn-Sprach-Entschlüsselung erzielt, bei der 80% der gedachten Buchstaben mittels nicht-invasiver Verfahren erkannt werden konnten.
LeCun positionierte sich kritisch gegenüber dem aktuellen KI-Hype und dem Silicon Valley-Mindset. Er vertritt die Ansicht, dass generative KI nicht die Zukunft ist und reine Skalierung der falsche Weg sei. Nach seiner Überzeugung lässt sich die Welt nicht allein durch Sprache abbilden, und echte Intelligenz benötige keine Sprache. Behauptungen über eine baldige Artificial General Intelligence (AGI) hält er für irreführend.
Stattdessen plädiert LeCun für einen Fokus auf praktischere, hilfreichere Robotersysteme. Er verweist dabei auf aktuelle Grenzen der KI: Während Menschen schnell neue Fähigkeiten wie Autofahren erlernen können, gibt es bis heute keine vollautonomen Fahrzeuge (Level 5), und selbst die Entwicklung eines Roboters mit katzenähnlichem Verhalten stellt noch eine große Herausforderung dar.
OpenAI-Chef Altman schlägt Stargate für Europa vor
OpenAI-Chef Sam Altman hat sich bei einem Besuch in Deutschland für ein europäisches Stargate ausgesprochen. "Ich bin überzeugt, dass die meisten Europäer KI gerne nutzen möchten, um Wirtschaftswachstum und Wissenschaft voranzubringen", sagte Altman im Rahmen einer Podiumsdiskussion der TU Berlin. "Sie wünschen sich europäische Infrastruktur und wir würden gerne etwas wie ein Stargate Europa machen." Stargate ist ein Infrastrukturprojekt für Künstliche Intelligenz, das der neue US-Präsident Donald Trump kurz nach seiner Amtsübernahme angekündigt hat. Für 500 Milliarden US-Dollar sollen riesige KI-Rechenzentren gebaut werden, von denen hauptsächlich OpenAI profitieren wird.
Anders als LeCun in Paris betont Altman in Berlin, dass man mit viel größeren Computern viel größere Modelle trainieren könne. "Mit Stargate können wir die Fortschritte der vergangenen Jahre auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Ich denke, dass uns das zu extrem leistungsfähigen Modellen verhilft." Im Zuge von Altmans Deutschlandreise wurde auch bekannt, dass OpenAI ein Büro in München eröffnen wird.
In der bayerischen Landeshauptstadt sitzen bereits die Deutschlandzentralen von US-Tech-Konzernen wie Apple, Microsoft und Intel. Außerdem ist München ein global bedeutender Entwicklungsstandort. Deutschland gehört für OpenAI zu den wichtigen Märkten. Die Bundesrepublik hat nach Angaben des Unternehmens die höchste Zahl an Nutzerinnen und Nutzern von ChatGPT in Europa und gehört weltweit zu den fünf führenden Ländern in der Nutzung des Chatbots.
"Hiatus"-Koalition ruft zum Widerstand gegen KI auf
Nächster Stopp auf der Europareise von Altman ist heute und morgen der AI Action Summit in Paris. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat dazu neben Staats- und Regierungschefs aus aller Welt auch den Chef von OpenAI und den Google-CEO Sundar Pichai eingeladen. Doch in Frankreich formiert sich parallel Widerstand nicht nur gegen den Gipfel, sondern auch gegen Künstliche Intelligenz (KI) allgemein: Die neugegründete Koalition Hiatus – zu Deutsch Auszeit oder Pause – hat es sich zum Ziel gesetzt, "die Unterordnung der öffentlichen Politik unter die Interessen der Technologiebranche sowie die menschlichen und ökologischen Kosten der KI anzuprangern".
Zu dem Bündnis haben sich französische Bürger- und Menschenrechtsorganisationen sowie Gewerkschaften zusammengeschlossen. "Der massive Einsatz Künstlicher Intelligenz ist zu einer politischen Priorität geworden", moniert die Allianz in ihrem Gründungsmanifest. Gegen die Strategie der vollendeten Tatsachen ruft das Bündnis nach einer echten demokratischen Kontrolle über KI und "eine drastische Einschränkung ihrer Nutzung, damit die Menschenrechte, die sozialen Rechte und die Umweltrechte Vorrang haben".
Studie warnt vor schleichender Entmachtung der Menschheit durch KI
Auch eine neue Studie zeichnet ein düsteres Bild vom Einfluss Künstlicher Intelligenz auf die Gesellschaft. Forscher von Universitäten in Prag, Montreal, Toronto und anderen Instituten warnen vor einem bisher wenig beachteten existenziellen Risiko der Künstlichen Intelligenz: dem "Gradual Disempowerment", einer schleichenden Entmachtung der Menschheit durch inkrementelle KI-Entwicklung. Das steht im Gegensatz zu den häufig diskutierten Szenarien einer abrupten Übernahme, bei denen KI-Systeme plötzlich die Kontrolle übernehmen.
Das Team argumentiert, dass selbst schrittweise Verbesserungen der KI-Fähigkeiten den menschlichen Einfluss auf große gesellschaftliche Systeme wie Wirtschaft, Kultur und Nationalstaaten untergraben können. In der Wirtschaft könnte KI die menschliche Kognition in fast allen Bereichen ersetzen. In der Kultur könnte KI kulturelle Rollen übernehmen. Und in Staaten könnte KI die Abhängigkeit von menschlicher Mitwirkung verringern. Dies könnte zu einem relativen oder absoluten Machtverlust des Menschen führen.
Um die Risiken zu mindern, schlagen die Forscher Metriken zur Abschätzung des Machtverlusts, Maßnahmen zur Begrenzung des KI-Einflusses, die Stärkung des menschlichen Einflusses und Grundlagenforschung vor. Ein interdisziplinärer Ansatz und internationale Koordination seien notwendig, um sicherzustellen, dass die Entwicklung der Gesellschaft weiterhin von menschlichen Werten geleitet wird.
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KI-Nachhilfe in Nigeria erzielt beachtliche Lernfortschritte
Sehr positive Auswirkungen von KI zeigt hingegen ein Pilotprojekt in Nigeria: Schülerinnen und Schüler konnten mithilfe von generativer KI als virtuellem Tutor in nur sechs Wochen enorme Lernfortschritte erzielen- fast zwei zusätzliche Lernjahre. Dabei spielten die Lehrkräfte eine wichtige unterstützende Rolle und gaben Themen und Schreibaufgaben vor. An dem Projekt nahmen Schülerinnen und Schüler im Bundesstaat Edo teil. Sie nutzten zweimal pro Woche Microsoft Copilot, um ihre Englischkenntnisse und digitalen Fähigkeiten zu verbessern.
Besonders bemerkenswert: Alle profitierten davon, nicht nur die Leistungsstärksten. Vor allem Mädchen, die anfangs schlechter abschnitten als Jungen, machten durch das KI-Tutoring große Fortschritte und konnten Rückstände aufholen. Trotz der positiven Ergebnisse betonen Experten die wichtige Rolle der Lehrerinnen und Lehrer für den Erfolg. Zudem müssten die langfristigen Auswirkungen und mögliche negative Effekte weiter untersucht werden, bevor ähnliche Programme effektiv ausgeweitet werden können. KI in der Bildung berge gleichermaßen Chancen wie Risiken, die es sorgsam abzuwägen gelte.
USA planen Verbot von Deepseek
In Australien und Taiwan dürfen Mitarbeitende aus Behörden und dem Bereich kritischer Infrastruktur die App von Deepseek nicht nutzen. Der Grund dafür: Es sei eine Bedrohung der nationalen Sicherheit zu befürchten. Nun folgt auch die USA. Parteiübergreifend wollen Abgeordnete ein ähnliches Verbot anstreben. In dem veröffentlichten Dokument heißt es, dass der Dienst direkte Verbindungen zur chinesischen Regierung habe, und sensible Daten der amerikanischen Bürger weitergeleitet würden. Anders als etwa im Fall von Tiktok, wo ein generelles Verbot des Dienstes im Raum steht, soll es bei Deepseek aber nur um die Nutzung der App auf dienstlichen Geräten gehen.
Mistral veröffentlicht neue Version von le Chat
Mistral AI hat seinen KI-Chatbot le Chat überarbeitet. Die App gibt es nun für Android und iOS, sie ist kostenlos verfügbar. Mistral mit seinem Sitz in Paris gilt neben Aleph Alpha als europäische KI-Hoffnung. Le Chat ist wahnsinnig schnell. "Fast as Flash" schreibt Mistral. Bis zu 1000 Wörter in der Sekunde schaffe der Chatbot – damit sei er der schnellste Chatbot der Welt. Zugrunde liegen le Chat dafür eine ausgewogene Basis von vorab-trainiertem Wissen, einer aktuellen Websuche, robusten Quellen aus dem Journalismus, Social Media und weitere Quellen. Dokumente und Bilder können analysiert werden, Code kann der Chatbot auch. Zudem steht ein Code Interpreter zur Verfügung, um den Code in einer sicheren Umgebung auszutesten. Der Bildgenerator in LeChat ist laut Blogbeitrag "powered by Black Forest Labs“.
Amazon investiert 100 Milliarden US-Dollar in KI-Infrastruktur
Amazon will in diesem Jahr rund 100 Milliarden US-Dollar in Infrastruktur investieren – größtenteils in den Ausbau von Rechenzentren für Künstliche Intelligenz.
Die Nachfrage der IT-Kunden nach Ressourcen dafür sei so groß, dass die Cloud-Sparte AWS auf Kapazitäts-Engpässe treffe, sagte Amazon-Chef Andy Jassy bei Vorlage aktueller Quartalszahlen. Amazon ist nicht nur der weltgrößte Online-Händler, sondern auch der führende Anbieter von Cloud-Infrastruktur.
Microsoft bietet Autoren Geld fĂĽrs KI-Training mit ihren BĂĽchern
Microsoft geht bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Bücher für das Training seiner KI-Modelle neue Wege. Das Unternehmen hat dem Verlag HarperCollins ein Angebot unterbreitet, Autorinnen und Autoren pro Buch 2.500 US-Dollar zu zahlen- die Hälfte der Lizenzgebühr von 5.000 Dollar, die Microsoft an den Verlag überweist. Bisher haben sich Tech-Konzerne meist auf das Argument des "Fair Use" gestützt, um urheberrechtlich geschützte Werke ohne Vergütung fürs KI-Training zu nutzen.
(igr)