Elektronische Patientenakte: Zahl der Widersprüche wächst

Inzwischen haben fast alle gesetzlich Versicherten, sofern kein Widerspruch erfolgt ist, eine elektronische Patientenakte. Die Zahl der ePAs sinkt inzwischen.

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Blonde Ärztin im weißen Kittel gibt Patienten ihre Krankenkassenkarte.

(Bild: stockfour/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Für alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprochen haben, sollen die Krankenkassen bis Ende der Woche eine elektronische Patientenakte (ePA) angelegt haben. Lag die Zahl der angelegten ePAs am 8. Februar laut dem TI-Dashboard der Gematik noch bei 70.499.929, waren es einen Tag später 70.489.531 und heute 70.463.456 (Stand: 12. Februar 2025). Für den zehnten Februar sind es 70.486.940 angelegte ePAs. Warum rund 12.000 Akten plötzlich verschwunden sind, erklärt die für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständige Gematik auf Anfrage.

Aktuell könne es "seitens der Aktensystem-Hersteller noch zu geringfügigen Datenanpassungen" kommen, heißt es dazu von einer Gematik-Sprecherin. Anpassungen gibt es beispielsweise aufgrund von Widersprüchen. Bei der Techniker Krankenkasse liegt die Widerspruchsquote beispielsweise bei 7 Prozent, bei allen AOK-Krankenkassen zusammen liegt die Widerspruchsquote bei 3,8 Prozent. Die DAK liegt bei unter 4 Prozent und bei der Barmer sind es 5,3 Prozent Widersprüche gegen die ePA. Das Bundesgesundheitsministerium hatte mit einer Widerspruchsquote von 20 Prozent gerechnet.

"Insgesamt ist die Aktenanlage weit fortgeschritten, so dass die Gesamtzahl der Akten nicht mehr nennenswert steigen sollte", so die Gematik-Sprecherin. Da inzwischen fast alle Akten angelegt wurden, teilte Gesundheitsminister Karl Lauterbach gegenüber dem Tagesspiegel mit, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen "mit Riesenschritten" vorangehe, während verschiedene Medien titeln, dass der Start der ePA verschoben wurde.

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Dass die elektronische Patientenakte erst einmal nicht bundesweit ausgerollt wird, ist spätestens seit der Präsentation von Sicherheitslücken auf dem 38. Chaos Communcation Congress klar. Doch schon vorab hatten Experten die Unreife der notwendigen Software kritisiert. Auch der Bundesverband der Gesundheits-IT hatte kurz vor dem von Lauterbach angekündigten Start der ePA auf verschiedene Probleme bei der Fertigstellung der Software hingewiesen. Mitte Juli soll nicht die ePA-Version 3.1 kommen, sondern nach Information der Deutschen Apotheker Zeitung die Zwischenversion 3.0.5.

Mit der ePA gehen verschiedene Hoffnungen einher. So fordert der Expertinnenrat der Bundesregierung mit ihrer Hilfe künftig beispielsweise "eine bevölkerungsweite Erfassung von Impfungen unter Nutzung der elektronischen Patientenakte, die in eine bundesweit einheitliche zentrale Datenstruktur münden sollte". Das geht aus der jüngsten Stellungnahme "Gesundheit und Resilienz" hervor (PDF). In anderen Ländern wie Österreich soll der "elektronische Impfpass (auch e-Impfpass) [...] in den nächsten Jahren den klassischen Papier-Impfpass ablösen", eine Möglichkeit, dem zu widersprechen, gibt es nicht. Die Daten werden dort bereits in einem zentralen Impfregister eingetragen, das nach der Coronakrise eingeführt wurde.

Hierzulande startet die ePA mit der elektronischen Medikationsliste, im weiteren Fall soll dann auch der elektronische Medikationsplan – der beispielsweise von Ärzten kuratiert wird – folgen. Theoretisch ist der Impfpass bereits in der elektronischen Patientenakte angelegt, allerdings können Ärzte dort in der Regel noch keine Eintragungen vornehmen.

Während die ePA derzeit noch vor sich hindümpelt, melden sich für die Datenschätze der Zukunft bereits Interessenten. Erst kürzlich sprach CDU-Politiker Friedrich Merz in einer Wahlkampfrede von vergünstigten Krankenkassenbeiträgen für all diejenigen, die die Daten ihrer "elektronischen Gesundheitskarte" zur Verfügung stellen, wobei er damit wohl die Daten in der elektronischen Patientenakte gemeint hat. Auch die Polizei hat Interesse an den Gesundheitsdaten, ein von Datenschützern gefordertes Beschlagnahmeverbot für die ePA-Daten gibt es bisher nicht.

Laut dem Juristen und Datenschützer Jan Kuhlmann, der unter anderem als IT-Entwickler bei einer Krankenkasse gearbeitet hat und Co-Vorsitzender vom "Patientenrechte und Datenschutz e.V." ist, sind die Daten in der elektronischen Patientenakte nicht sicher. "Die Krankheitsdaten aller 72 Millionen gesetzlich Versicherten werden künftig nicht etwa 'auf der Karte' gespeichert, sondern liegen im Klartext zentral in der Cloud auf Servern der Firmen IBM und Bitmarck/Rise", so Kuhlmann, der "eine dezentrale Datenhaltung, wie vom früheren Bundesdatenschutzbeauftragten Prof. Kelber empfohlen" für deutlich sicherer hält.

"Diese Darstellung entspricht nicht den tatsächlichen technischen Gegebenheiten: BITMARCK/RISE speichern keine Versichertendaten der ePA in einer Cloud", heißt es jedoch von Bitmarck. Zudem können Bitmarck nicht auf die Daten zugreifen. "Die Datenhaltung erfolgt unter strengen gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben in den Rechenzentren der BITMARCK und unterliegt regelmäßigen Audits durch die Krankenkassen und die gematik", so der Bitmarck-Pressesprecher.

Auch das Bundesgesundheitsministerium hatte Ende 2024 erklärt, dass die Daten nur mit einem Schlüssel mithilfe der Vertrauenswürdigen Ausführungsumgebung (VAU) genutzt werden können. Die Daten werden in der VAU nur für den Moment der Datenabfrage entschlüsselt und sind über einen sogenannten VAU-Tunnel erreichbar, hatte die Gematik dazu bereits in der Vergangenheit erklärt. Die Betreiber der Aktensysteme erhalten keinen Zugriff. "Die korrekte Verknüpfung des Hardware-Security-Moduls mit der VAU wird durch technische als auch organisatorische Maßnahmen hergestellt", hieß es damals vom BMG. Wann jedoch die aktuellen Sicherheitslücken bei der ePA geschlossen sind, ist noch unklar.

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Zitat von Bitmarck und Zahlen ergänzt.

(mack)