US-Aufsichtsbehörde FTC leitet Untersuchung gegen Big Tech wegen "Zensur" ein

Die Federal Trade Commission prüft, ob Anbieter unzulässige Einschränkungen der Meinungsfreiheit vorgenommen haben.

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US-Flagge vor dem Kapitol in Washington.

(Bild: Andrea Izzotti/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Ganz auf Linie der zweiten Trump-Administration und deren Wahlkampfschlager der angeblich unzulässigen Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit hat die Verbraucherschutz- und Handelsaufsichtsbehörde FTC am Donnerstag eine offizielle Untersuchung eingeleitet, ob Anbieter im Netz die Meinungsfreiheit unzulässig eingeschränkt haben. Trump hatte bereits am Ende seiner vorangegangenen Amtszeit damit gedroht, Unternehmen die Haftungsprivilegien zu entziehen, die zu starke Regeln aufstellen.

"Technologieunternehmen sollten ihre Nutzer nicht schikanieren", sagte der FTC-Leiter Andreas N. Ferguson. "Diese Untersuchung wird der FTC helfen, besser zu verstehen, wie diese Firmen möglicherweise gegen das Gesetz verstoßen haben, indem sie Amerikaner zum Schweigen gebracht und eingeschüchtert haben, weil sie ihre Meinung gesagt haben." Die FTC sieht zwei Arten von Betroffenheit: Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit durch Beschränkungen der Inhalte oder der Konten von Nutzern – und Einschränkungen der Informationsfreiheit derjenigen, die die Inhalte nicht mehr empfangen.

Nun sollen sich möglicherweise Betroffene von solchen – von der FTC als Zensur bezeichneten – Maßnahmen bei der Behörde melden und Fälle liefern. Zensur meint historisch staatliche Eingriffe in die Meinungsäußerungsfreiheit, wird aber in der Diskussion auch auf Beschränkungen durch private Akteure ausgeweitet, unabhängig davon, ob deren Eingreifen auf staatliche Veranlassung zurückgeht.

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In einem Fragebogen zeichnet sich dabei ab, was die FTC unter der neuen US-Regierung als wichtig erachtet: Shadow banning, also eine künstliche Reichweitenreduktion und Demonetisierung, also dass mit Beiträgen kein Geld etwa durch vorgeschaltete Werbung verdient werden kann. Dabei geht es der FTC nicht nur um mögliches Fehlverhalten von Nutzern auf der Plattform und Verstöße gegen deren Nutzungsbedingungen, sondern auch um solche Fälle, in denen Nutzer aufgrund von Verhalten außerhalb dieser Vertragsbeziehung sanktioniert wurden.

Fast schon an die europäische Regulatorik des Digital Services Act erinnert dabei eine Reihe von Fragen, die die FTC beantwortet wissen will, wenn es um die Frage des Umgangs mit Konten-, Inhaltesperrungen oder Reichweitenreduktion geht: Hier will Trumps Aufsichtsbehörde etwa wissen, ob es für die Nutzer Möglichkeiten gab, gegen Entscheidungen der Anbieter vorzugehen. Genau das ist im DSA in Europa gesetzlich vorgeschrieben.

Aufgrund der Fragestellungen, mit denen die FTC in das Verfahren startet, ist bereits halbwegs absehbar, gegen welche Anbieter sich dieses im Kern richten wird: Vor allem YouTube, Metas Instagram und andere einnahmestarke Creator-Plattformen, die in der Vergangenheit Inhalte und Konten schärfer moderierten – sehr zum Unwillen des heutigen US-Präsidenten.

Die Untersuchung hat dabei allerdings auch eine andere Seite: US-Vertreter wie Vizepräsident James David Vance sehen in der abweichenden europäischen Sicht auf die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit einen Werteverrat. Entsprechend finden sich in dem Fragebogen auch Fragen dazu, wie es zu den Plattformnutzungsbedingungen oder -praktiken kam. Neben der Frage, ob Maßnahmen aufgrund von Druck durch Anzeigenkunden oder andere Geschäftspartner oder durch US-Behörden zustande gekommen seien, wird ausdrücklich danach gefragt, ob Maßnahmen auf Intervention "ausländischer Regierungen oder anderer ausländischer Entitäten" zustande gekommen seien. Die letztere Formulierung meint mit hoher Wahrscheinlichkeit die EU.

Die FTC scheint in ihrer Untersuchung die Durchführung von Moderation, Demonetarisierung und Shadow Banning vor allem auf einen Verdacht auf Wettbewerbsverzerrung zu stützen. Das Ergebnis des Verfahrens dürfte vor allem über die Frage Auskunft geben, inwiefern die FTC unabhängig agiert: Den Wettbewerb behinderndes Verhalten legte nicht zuletzt X, das frühere Twitter, an den Tag – etwa durch die Link-Blockade zu Mastodon oder zuletzt zu Signal. Während US-Präsident Trump sich kürzlich mit Meta aufgrund seiner Sperre nach dem Angriff auf das Kapitol finanziell einigte.

Sollte die FTC nun X nicht mindestens genauso in den Fokus nehmen wie andere Plattformen, wäre die Glaubwürdigkeit der traditionsreichen Behörde massiv beschädigt. Eingaben zu der Untersuchung sind bis Ende Mai 2025 möglich, anschließend will die FTC diese auswerten.

(tlz)