Sind Homeoffice und mobiles Arbeiten noch zeitgemäß?
Homeoffice und mobiles Arbeiten ist für manche Mitarbeiter kaum mehr wegzudenken. Unternehmen fällt es schwer, die Schraube zurückzudrehen.
(Bild: MT-R/Shutterstock.com)
Der Ausbruch der Corona-Pandemie vor fünf Jahren hat die Gesellschaft und damit auch die Arbeitswelt gründlich durcheinandergewirbelt. Zahlreichen Unternehmen gelang es damals, ihren Betrieb einigermaßen aufrechtzuerhalten, weil die Beschäftigten ihre Arbeit mit nach Hause nahmen. Das mobile Arbeiten wurde zum Massenphänomen.
Auch wenn inzwischen einige Firmen ihr Personal wieder zurück ins Büro geholt haben, lässt sich die Zeit nicht wieder auf den Zustand vor Corona zurückdrehen, finden Vertreter von Wissenschaft, Gewerkschaft und Arbeitgebern. Und das sei auch gut so.
Wenig Hinweise auf völliges Verschwinden
"Es deutet derzeit wenig darauf hin, dass Homeoffice und mobiles Arbeiten in naher Zukunft flächendeckend wieder verschwinden werden", erklärt der hessische Landesverband im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Vielmehr passten viele Unternehmen ihre Raumplanung mittelfristig an und flexibilisierten ihre Arbeitsraumkonzepte.
Nach Ansicht der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) hat die Pandemie gezeigt, dass mobiles Arbeiten ein wichtiges Instrument betrieblicher Flexibilität sei. Unternehmen und Beschäftigte hätten gemeinsam Wege gefunden, digitale Arbeitsformen sinnvoll einzusetzen.
Nicht alle Tätigkeiten geeignet
"Gleichzeitig wurde deutlich, dass nicht alle Tätigkeiten für mobiles Arbeiten geeignet sind und dass Produktivität, Unternehmenskultur und Teamdynamik darunter leiden können, wenn persönliche Zusammenarbeit zu stark reduziert wird", erklärt VhU-Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert. "Pauschale Regelungen greifen zu kurz."
Studien zu Zufriedenheit und Wohlbefinden von Mitarbeitenden
"Für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und ihr Wohlbefinden belegen die meisten Studien klare Vorteile von Homeoffice", erklärt der Frankfurter Sozialpsychologe Rolf van Dick. Was die Produktivität des mobilen Arbeitens angehe, gebe es Studien, die positive Effekte zeigten. Es lägen aber auch Studien vor, die gar keine oder sogar negative Auswirkungen belegten.
Das hänge unter anderem davon ab, ob man selbst bestimmen könne, ob man zu Hause arbeiten wolle und wie viel, erklärt der Leiter der Abteilung Sozialpsychologie an der Goethe-Universität.
Unternehmen sollen Entscheidung eigenständig treffen
Eine allgemeingültige Zahl, wie viele Arbeitgeber ihre Beschäftigten wieder aus dem Homeoffice zurück ins Büro beordert haben, liegt dem Unternehmerverband nicht vor. "Klar ist aber: Während viele Unternehmen mobiles Arbeiten beibehalten haben, setzen andere wieder verstärkt auf Präsenzarbeit – besonders in Branchen, in denen persönliche Zusammenarbeit essenziell ist", erklärt Pollert. Das sei in der Produktion naheliegender als beispielsweise im Dienstleistungssektor. "Wichtig ist, dass Unternehmen diese Entscheidung eigenständig treffen können."
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Nach Einschätzung des DGB haben viele Beschäftigte den Wunsch, im Homeoffice oder mobil arbeiten zu können. "Wer diese Möglichkeit hat, ist zufriedener mit seiner Arbeit und kann insbesondere Familie und Beruf besser vereinbaren", erklärt Lisa Merz vom DGB-Landesverband Hessen-Thüringen. "Homeoffice ist deshalb zum festen Bestandteil der Arbeitswelt in Deutschland geworden."
Kein Recht auf Homeoffice
Ein Recht auf Homeoffice oder mobiles Arbeiten besteht dem DGB zufolge grundsätzlich zwar nicht. Dennoch könnten Betriebsräte mit den Arbeitgebern Betriebsvereinbarungen abschließen, in denen Homeoffice-Regelungen verbindlich geregelt werden, erklärt Merz. Beschäftigte könnten sich dann darauf verlassen, dass diese Regelungen auch verbindlich gelten.
Missbrauch ist die Ausnahme
Der in der Diskussion ums Homeoffice immer wieder gehörte Vorwurf, dass Beschäftigte mobiles Arbeiten missbrauchten, um während der Arbeitszeit private Dinge zu erledigen, trifft nach Beobachtung des Unternehmensverbands in der wirklichen Arbeitswelt kaum zu. Es handele sich um Einzelfälle, die nicht verallgemeinert werden dürften, sagt Pollert.
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Das Vertrauen in die Eigenverantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleibt nach Ansicht des Unternehmerverbands eine zentrale Voraussetzung für das mobile Arbeiten. Es müssten klare Erwartungen an Arbeitsleistung und Erreichbarkeit definiert werden, erklärt Pollert weiter. Viele Unternehmen hätten deshalb Leitlinien für mobiles Arbeiten entwickelt, die Verlässlichkeit und Effizienz sicherstellen.
Faktor im Kampf um qualifizierte Beschäftigte
Wenn einzelne Firmen damit Schlagzeilen machten, dass sie Homeoffice und mobiles Arbeiten wieder vollständig abschaffen wollen, sind das nach Einschätzung des Gewerkschaftsbundes eher Einzelfälle. "Gerade in Branchen, in denen Unternehmen um qualifizierte Beschäftigte konkurrieren, dürfte sich das als Wettbewerbsnachteil herausstellen", findet Merz.
Der DGB ist mit dieser Einschätzung gar nicht weit von der Arbeitgeberseite entfernt. "Gerade für gut ausgebildete Fachkräfte ist mobiles Arbeiten ein wichtiger Faktor bei der Arbeitgeberwahl. Unternehmen haben darauf reagiert und flexible Modelle etabliert, die mobiles Arbeiten mit Präsenzzeiten kombinieren", sagt VhU-Hauptgeschäftsführer Pollert. Hybride Modelle Entscheidend sei, dass mobiles Arbeiten betrieblich sinnvoll bleibe. "Führung, Teambuilding und Innovation erfordern persönlichen Austausch", sagt Pollert. Deshalb setzten viele Unternehmen auf hybride Modelle, bei denen mobiles Arbeiten gezielt für Aufgaben genutzt werde, die keine direkte Zusammenarbeit erfordern.
(olb)