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Was war. Was wird.

Geschafft. Oder nicht? Jedenfalls ist endlich wirklich Sommer, freut sich ein milde vor sich hin dampfender Hal Faber. Und überlegt, ob man wirklich Mitleid mit den Unberührbaren in Deutschland haben muss.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Es hat nicht sein sollen, nicht 2010: Trotz etlicher Twitter-Anstrengungen und Web-Fakes konnte "Zurück in die Zukunft" kein Jubiläum feiern, musste der de Lorean in der Garage bleiben. Der Versuch scheiterte, von 2015 auf 2010 vorzuspringen. Zeitreisen sind nunmal komplizierter als das Drehen an der Systemzeituhr. Der Vergleich zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft drängt sich natürlich auf. der Kick in Südafrika war der Versuch, schon 2010 so weit zu sein wie 2014, wenn es in Brasilien zur Sache geht. Kopfhängen ist nicht, das wird schon, zumal diese doofe Wembley-Geschichte endlich auch begraben ist. Bis dahin dürfte sich die Sache mit Paul erledigt haben, den weissagenden Tintenfisch, den der überzeugte Pescetarier Steve Jobs zu Apple in die Produktforschung holt. "Die Scheißkrake hatte Recht: Calamares für alle!", dieser von dpa gemeldete Satz aus einem griechischen Restaurant, ist doch schöner als all das Gewabere vom deutschen Schicksal und deutschen Tugenden, die niemand wieder sehen will.

*** Wer will eigentlich die schöne deutsche ELENA? Die Vorratsdatenspeicherung von Arbeitnehmerdaten zwecks Wohngeldbeantragung oder den Einstieg in das Arbeitslosengeld I will niemand mehr. Wirtschaftsminister Brüderle nicht, der zittert und bangt um den Mittelstand. Arbeitsministerin von der Leyen und Kanzlerin Merkel gehen konform, mit ihm konform zu gehen, sollte ELENA in einem Moratorium verschwinden. Schließlich hat von der Leyen etwas viel Schöneres entdeckt, die Bürgerarbeit, für Langzeitempfänger von Arbeitslosengeld II. Sie werden in einer Aktivierungsphase zum agilen Protoworking motiviert, dann beschäftigt und stehen dann mit Dumpinglöhnen um 900 Euro den Monat bereit, dass Arbeitgeber normal Beschäftige zur Beantragung von Arbeitslosgeld I schicken können.

*** Die werden sich freuen, wie es später dank ELENA ganz wunderbar elektronisch flutscht mit den Anträgenen und natürlich auch über die qualifizierte digitale Signatur, die jeder Arbeitslose bekommt. Spottbillig. Was der Bitkom bekanntlich supertoll findet und für die ganze deutsche IT zetert und schimpft. Die ganze IT? Da ist noch der IT-Branchenverband SIBB (PDF-Datei), der für den Mittelstand fightet und einen sofortigen Stopp verlangt: "Die Interessenvertretung des größten IT-Standortes in Deutschland mit fast 4.000 vornehmlich kleineren und mittleren IT-Unternehmen lädt die Bundesregierung ein, gemeinsam mit der mittelständischen Wirtschaft eine wirklich zeit- und kostensparende Erhebung von Einkommensnachweisen für Arbeitnehmer zu entwickeln." Wir lernen daraus: Am Anfang aller Einsparungen steht die Entwicklung neuer Software und jeder will mal.

*** Wie war das noch mit den Einsparungen bei ELENA? 80,9 Millionen werden dadurch "gespart", weil Arbeitergeber ihre ELSTER-Zertifikate nutzen, die sie eh für die Finanzamtmeldungen besitzen. Der wie Milchmädchen rechnende Normenkontrollrat soll beim Moratorium wieder ran und mit neuen Wunderzahlen "Klarheit" produzieren, wo alle nur im Trüben paddeln. Dabei ist die Geschichte von ELENA auch ohne diese Luftbuchungen lustig genug. Seit dem 1. Juli müssen die Betriebe neben den ELENA-Stammdaten das wunderbare neue Modul DBKE melden, die Datenbank für Kündigungen und Entlassungen. An DBKE hatte sich der Zorn der Datenschützer und der Gewerkschafter entzündet, weil in diesem Modul festgehalten wird, ob eine betriebsbedingte oder fristlose Kündigung vorliegt und ob eine Kündigungsschutzklage eingereicht wurde. Der DBKE enthält außerdem das längste Freitextfeld der gesamten ELENA-Meldung, die "Schilderung des vertragswidrigen Verhaltens". Nun haben die ELENA-Verantwortlichen zum 1. Juli reagiert und das Freitextfeld kurzerhand gestrichen. Wer korrekt als Arbeitgeber zum Denunzianten mutiert und das vertragswidrige Verhalten seines Mitarbeiters schildert, wird mit einer Fehlermeldung bestraft und darf noch einmal melden. Ein Fall für Kafka, den Fachmann der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt.

*** Es gibt einen Unterschied zwischen dem Erkennen von Murks und dem Erkennen eines Polizeibeamten im Einsatz auf einer Demonstration. In dieser Woche hat Amnesty International in Deutschland zur Vorstellung des jahresberichtes die Aktion Nichts zu verbergen gestartet, eine Kampagne für die Einführung der Kennzeichnungspflicht von Polizisten. Weil es das pöhse Internet gibt, lehnt die Gewerkschaft der Polizei diese Pflicht ab. Da werden Bilder und Videos "nahezu unendlich lange im Internet abrufbar blieben und so eine Verfolgbarkeit bis ins Private hinein sehr leicht möglich". Dann ist da noch die linke Internetszene, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beamten missachtet und beschneidet. Die Unberührbaren schlagen zurück.

*** Man sollte es nicht persönlich nehmen. Tief in jedem Polizisten schlummert der einfache Wunsch, es nur mit dem perfekten Staatsbürger zu tun zu haben, dem gelegentlich galant ein Knöllchen serviert, ein Pünktchen verpasst wird. Jedenfalls, solange es das Verkehrszentralregister noch gibt. Bekanntlich will Verkehrsminister Ramsauer das Punktesystem reformieren und durch eine moderne transparente Methode ersetzen, bei der jeder Bürger jederzeit mit dem neuen Personalausweis sein Maluskonto einsehen kann. Bis dahin ist genug Zeit, Perfect Citizen zu studieren, ein US-Programm, das Abweichler finden soll, die eine Cyberattacke auf kritische Infrastrukturen planen. Für die ersten Arbeiten an diesem Überwachungsprogramm hat Raytheon schon einmal 100 Millionen Dollar kassiert. Das passt ja wie ein SWIFT aufs Auge, zumal weitere Daten bereits in der Diskussion sind, weil das Abkommen laut EU-Kommissarin Reding nicht perfekt ist. Warum legen wir eigentlich nicht gleich das Programm "The Universal Citizen" auf, passend mit einem Song vom neuen Donovan?

Was wird.

Das Gekicke ist vorbei, die Calamares waren lecker. Die Fernsehbranche jubelt trotz Public Saufing über den Verkauf von 8 Millionen Geräten, gewisse "Fach"-Märkte ärgern sich höchstens über ihre teuren Versicherungspolicen, für den Fall der Fälle, dass Deutschland ins Finale kommt. In neuen wie alten Glotzen läuft jetzt die Tour de Dope, das Radeln mit den zwei Geschwindigkeiten. Die nächsten Geräte werden nach der großen Sommerpause auf der IFA in Berlin gezeigt. Die Revolution der Fernbedienungen steht an, die dem iPad paroli bieten müssen. Auf ihren Zweitbildschirmen kann eine Vorschau eines anderen Senders laufen oder ein schickes Programm wie der TV Buddi, der laufend im Internet nach Wikipedia-Einträgen zu aktuellen Sendungen sucht. Was nicht unbedingt schwierig ist, weil eigentlich nur noch Kochshows laufen, in denen Goldhamster auf Rührei serviert werden. Diese kleine Wochenschau überbrückt die Zeit der Sommerlöcher, in der pünktlich wie früher bei der Bundesbahn die Krokodile, Kaimane und sonstigen Viecher losgelassen werden, mit Sommerrätseleien. (jk)