Mit dem Xcode-Band der Sympathie: Warum viele Devs Apple weiter treu bleiben

Ein scharf formuliertes US-Urteil, StrafmaĂźnahmen der EU: Doch der Zugewandtheit kleiner App-Entwickler kann sich Apple weiterhin sicher sein. Eine Analyse.

vorlesen Druckansicht 31 Kommentare lesen
Apples Software-Chef Craig Federighi mit Besuchern der WWDC 2024

Apples Software-Chef Craig Federighi mit Besuchern der WWDC 2024

(Bild: Apple)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis
close notice

This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Berlin, Ende April. Die Sonne scheint an diesem Dienstag sommerwarm vom Himmel vor Apples Hauptstadtzentrale über einem hip renovierten Hotel in Mitte. Noch spürbarer ist aber die Herzenswärme, die von einer Veranstaltung im Inneren des historischen Gebäudes ausgeht. 110 Entwickler und App-Verantwortliche haben sich dort auf Einladung der deutschen App-Store-Redaktion zum Developer-Day eingefunden. Es wird, mit traumhaftem Blick über Teile Berlins, gelacht und diskutiert, aber fast nicht gestritten.

Wenige Wochen vor der Entwicklerkonferenz WWDC ist dieser Termin, zu dem auch die Fachpresse eingeladen ist, ein spannender Stimmungscheck. Klar, inhaltlich geht es um anderes: Die Entwickler bekommen noch einmal die Vorteile der Apple Intelligence erklärt, tauschen sich über Monetarisierungsstrategien und andere wichtige Themen ihres täglichen Schaffens aus. Für die Journalisten gibt es eine Runde mit einigen Entwicklern, wo diese die Vorzüge des Macs im Kontext kleiner und mittlerer Unternehmen diskutieren und ihre Apps vorstellen (Tenor: der Mac ist bei den Entwicklern Standard – und sehr beliebt). Anschließend gibt es noch die Gelegenheit zum Austausch mit allen Teilnehmern, die zwischen Schnell-Pitch ("Mit dieser App spenden sie Unicef eine weitere Mahlzeit") und herzlichem Wiedersehen ("Ich erinnere mich daran, als die Ulysses GmbH noch The Soulmen hieß") changieren.

Apps aus Deutschland: Vier Beispiele (4 Bilder)

Ahead ist eine App, die als persönlicher Coach für emotionale Fähigkeiten eingesetzt werden kann. Gründer Kai Koch und sein Team entwickeln die App von Berlin aus. (Bild:

Ahead

)

Aber über die Inhalte hinausgehend scheint dieser Dev Day auch eine Art Selbstvergewisserung zu sein: In den Anfangsjahren des App Store johlte das Publikum der weltweiten Entwicklerkonferenz WWDC vor Freude auf, wenn Steve Jobs den Milliarden-Scheck an Ausschüttungen einblenden ließ und darüber sinnierte, wie sehr Entwickler und Apple voneinander profitieren. Aber kann sich Apple der Zustimmung der Entwickler auch in diesem Frühjahr 2025 noch sicher sein? Oder brodelt es in Wirklichkeit unter der Oberfläche?

Wer die Meldungen der letzten Wochen verfolgt, könnte vor der weltweiten Entwicklerkonferenz WWDC viel Knirschpotenzial wittern: Da ist die US-Richterin, die mit scharfen Worten Apple aufträgt, endlich ihr Urteil umzusetzen. App-Entwickler sollen ohne Extra-Gebühren ihre Leistungen auch außerhalb des App Stores verkaufen und dies in ihren Apps verlinken dürfen. Die Europäische Kommission rügt derweil Apples Verhalten im Wettbewerb, unterstellt dem US-Unternehmen, Sideloading und alternative App Stores sogar zu behindern. Und dann ist da natürlich die Diskussion über Apples Künstliche Intelligenz – die bessere Siri lässt auf sich warten, und was ist überhaupt mit KI-Entwicklungstools aus dem Hause Apple?

Videos by heise

Doch wer mit den kleinen und mittleren Developern in Berlin spricht, der gewinnt nicht den Eindruck, dass Apples Verhältnis zu seinen App-Store-Developern vor der großen Entwicklerkonferenz im Juni getrübt ist. Klar, in Sachen KI würde man sich mehr wünschen – bei den meisten, mit denen ich spreche, ist sie längst im Einsatz – aber das sind dann eben der Copilot von Microsoft und Claude Code, die verwendet werden. Von Apple-KI-Schnittstellen und Tools, die dieses Jahr kommen könnten und herbeigesehnt werden, verspricht man sich besseren Datenschutz und bei den Tools ein tieferes Verständnis für die speziellen Bedürfnisse in der Apple-Welt. Und natürlich wird die Frage nach den Abgaben an Apple stets lachend mit "natürlich würden wir gerne weniger Prozente abgeben. Wer nicht?" beantwortet.

Doch milliardenschwere Kläger wie Tim Sweeney von Epic Games, der eine weitgehende Öffnung erstreiten will, oder das laute Gepolter von Apples Musikstreaming-Konkurrent und Marktführer Spotify stoßen dem Vernehmen nach auf wenig Sympathie in der Runde. Alternative App-Marktplätze, wie sie die EU eingeführt hat? Machen nur zusätzliche Arbeit, ohne erkennbaren Zugewinn. "Da müssten wir erstmal zwei einstellen", sagt einer der Entwickler – schließlich nehme Apple einem doch alles ab. "Mit einem Klick ist man in 164 Ländern", sagt Kai Koch von Ahead. "Es macht wenig Sinn, das selbst zu machen." Für die Großen, das schränken einige ein, aber sicherlich schon. Ein anderer Dev räumt ein, dass es natürlich schön wäre, etwas weniger Prozente an Apple abgeben zu müssen. Aber sei es das wert?

Und da ist er dann doch, der Riss – aber nicht zwischen Apple und den Developern im Allgemeinen, sondern zwischen den Bedürfnissen und Ansichten der kleinen und der großen Developer. Die Chance, als One-Man-Show oder als kleines Start-up-Team eine App erfolgreich weltweit im Eigenverlag herauszubringen, ist zwar angesichts der vielen Apps im Store kleiner geworden. Aber es gibt sie noch, diese Erfolgsgeschichten. Anwesend waren Chefs und Gründer von App-Entwicklern, die durchaus 50 bis 100 Münder in ihrer Firma satt machen können. Mittelständische Hidden Champions, ganz dank App Store. Quasi vom Tellerwäscher zum Millionär: Und Apple stellt erfreulicherweise eine Geschirrspülmaschine dafür bereit, weist die neuen Tellerwäscher umfassend ein, gibt Tipps und Hilfestellungen – das schweißt zusammen.

Das meiste Geld für Apples wachsende Services-Sparte machen gewiss die Großen im App Store, die – um ihre Bedeutung wissend – auch sehr selbstbewusst auftreten. Aber Apples Herz schlägt erkennbar immer noch für die Kleinen, die dem Unternehmen Glanz und Gloria verleihen – und die, das gehört auch zur Wahrheit dazu, für das Unternehmen besser steuerbar sind. Mit Maßnahmen wie dem Small Business Program, das Entwicklern unter einer Million US-Dollar Umsatz pro Jahr deutlich niedrigere Abgaben einräumt, nahm der iPhone-Hersteller genau in dieser Gruppe den Druck raus, als die Diskussion über zu hohe Abgaben begann. Bei jenen Großen, die als Kläger und lautstarke Kritiker auftraten, tat man das wohlweislich nicht.

Natürlich ist das alles Strategie. Nichts könnte Apple gefährlicher werden als der allumfassende Schulterschluss der großen und kleinen Developer, den ein Sweeney gerne herbeireden möchte, der selbst einen eigenen – wenn auch günstigeren – kostenpflichtigen App-Laden betreibt. Aber dieser Schulterschluss ist, wenige Wochen vor der WWDC, nicht in Sicht, nicht einmal im Ansatz. Die großen Konflikte rund um den App Store spielen im Kleinen kaum eine Rolle. Man ist höchstens mal von einem langsam reagierenden App Review, dem Torwächtersystem für iOS-Apps, genervt – oder von dessen manchmal merkwürdigen Entscheidungen. Und Apples Band der Freundschaft zu kleinen und mittleren Developern ist noch dicker als die Regelwerke, die das Unternehmen seinen Partnern im App Store auferlegt. Es sieht auch dieses Jahr für Juni nach Sonnenschein in Cupertino aus.

Mitarbeit: Ben Schwan

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externer Preisvergleich (heise Preisvergleich) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (heise Preisvergleich) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

(mki)