re:publica: Deutschlands Glasfaserquote "wirklich peinlich"
"Rein ins Glas" und raus aus dem Kupfernetz hieĂź es auf der re:publica. Die Migration bleibt auch unter dem neuen Digitalminister ein Langzeitprojekt.
Für Infrastruktur und "Business" konnte sich auf der re:publica nur ein kleines Publikum erwärmen – bei Heidi Reichinnek (Linke) war mehr los.
(Bild: heise online)
Netzbetreiber haben sich auf der re:publica in Berlin für einen geregelten, aber auch flotten Übergang vom Kupfer- ins Glaszeitalter ausgesprochen. Weil Deutschland bei der Verbreitung von Glasfaseranschlüssen im europäischen Vergleich hinterherhinkt und das Ausbautempo lahmt, sind nun sowohl die Branche als auch die Politik gefordert.
Die Politik soll vor allem für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen. "Die Städte, in denen Stadtnetzbetreiber am Werke sind und wo Wettbewerb herrscht, sind am besten mit Glasfaser versorgt", betonte Timo von Lepel, CEO des regionalen Netzbetreibers NetCologne, am Dienstag auf der re:publica in Berlin. "Das zeigt: wo Infrastrukturwettbewerb herrscht, ist die Versorgung am besten."
Bahnhof kommt nach Deutschland
Mit den neuen Glasfasernetzen und Open Access entstehen auch neue Chancen fĂĽr Provider, die ohne eigenes Netz ihre Dienste auf der Infrastruktur von Partnern anbieten. Etwa das schwedische Unternehmen Bahnhof, das jetzt in Berlin mit der Vermarktung auf dem Netz von Eurofiber beginnt.
"Wir kommen jetzt nach Deutschland, weil das noch ein relativ kleiner Markt ist", sagte Bahnhof-Deutschlandchef Philipp Riederer. "Im September wird es hier in Berlin losgehen mit Eurofiber." Dass Deutschland im europäischen Vergleich so schlecht abschneidet, sei "wirklich peinlich". "Die Schweden haben über 87 Prozent Glasfaser."
Der Netcologne-Chef verwies die langfristige Perspektive von Investitionen in Netze. "Das Infrastrukturgeschäft braucht einen langen Atem, erst nach rund 20 Jahren amortisieren sich die Investitionen", sagte von Lepel. Die Branche will die nötigen Investitionen stemmen, fordert dafür aber faire Bedingungen.
"Wir konkurrieren mit einem längst abgeschriebenen Kupfernetz der Telekom, die damit zu ganz anderen Kosten operieren kann", betonte von Lepel. Der Übergang vom Kupfer zu Glasfasernetzen soll deshalb auch politisch organisiert werden. Dafür hat die zuständige Bundesnetzagentur jüngst ein Impulspapier veröffentlicht, das nun mit der Branche diskutiert wird.
Die Regulierungsbehörde hätte am liebsten, dass die Telekom und ihre Wettbewerber die Migration von Kupfer und Glas selbst organisieren. Branchenkenner halten das für kaum erfolgversprechend. Nach dem jetzigen Stand des Telekommunikationsgesetzes (TKG) entscheidet alleine die Telekom, wann sie welche Bereiche ihres Kupfernetzes abschaltet.
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Keine Zwangsabschaltung
"Wir nennen es Kupfer-Glas-Migration", sagte Susanne Ding. "Manche nennen es Zwangsabschaltung, was aber nicht der Fall ist", betont die Abteilungsleiterin im neuen Bundesministerium fĂĽr Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS). Die Telekom selbst hatte im Hinblick auf die schrittweise Abschaltung der Kupfernetze vor einem "Zwangsanbieterwechsel" gewarnt.
Doch auch die Regierungsvertreterin erkennt an, dass die Telekom bei der Kupfer-Glas-Migration "einen Hebel" hat. "Da muss man sich anschauen, wie geht die Telekom damit um", sagte Ding. Grundsätzlich seien klare Regeln und ein vernünftiger Wettbewerb wünschenswert.
Angesichts des stetig wachsenden Bandbreitenbedarfs halten Branchenvertreter einen schnellen Übergang für geboten. "Das Datenvolumen wird weiter explodieren, das sind 30 bis 40 Prozent jedes Jahr on top", sagte der Netcologne-Chef. "Wir brauchen eine 100-prozentig flächendeckende Versorgung."
Dabei noch bestehende HĂĽrden will die neue Bundesregierung nun zĂĽgig abbauen helfen. "In Deutschland ist es so kompliziert wie nirgendwo anders, die Glasfaser unter die Erde zu kriegen", nannte Ding als eines der Probleme, die das BMDS nun angehen will. Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) zeigte sich erfreut und spornte die Politik an, damit jetzt auch mal anzufangen.
Am Mittwoch hat das Bundeskabinett als eine Maßnahme auf den Weg gebracht, den Ausbau von Telekommunikationsnetzen rechtlich als "überragendes öffentliches Interesse" einzustufen. Damit hofft die Bundesregierung, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Die Migration auf Glasfaser wird aber wohl nicht so schnell über die Bühne gehen, so die BMDS-Vertreterin. "Wir sind halt noch nicht so weit, und wir werden auch 2030 wohl nicht sein", sagte Ding. "Das wird in Deutschland sicher noch ein bisschen länger dauern, aber wir müssen uns klarmachen, es wird kommen. Wir wollen dann auch noch in diesem Jahr mit Eckpunkten herauskommen, die wir dann mit allen diskutieren."
(vbr)