Spotify-Zahlen: Die wenigsten Künstler verdienen mehr als 10.000 Euro
2024 strichen europäische Künstler auf Spotify 1,7 Milliarden Euro an Tantiemen ein. Für die meisten bleibt es aber schwierig, von den Ausschüttungen zu leben.
(Bild: Shutterstock.com/Chubo - my masterpiece)
Spotify hat am Donnerstag mal wieder "rekordverdächtige" Zahlen präsentiert. Demnach haben auf dem Musik-Streamingdienst europäische Künstler 2024 insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro an Tantiemen eingenommen. Das entspricht einem Anstieg von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ist fast doppelt so viel wie 2020. Mehr als 17.000 Künstler aus der EU verdienten laut dem aktuellen Ausschüttungsbericht mehr als 10.000 Euro. Über 27.000 Musikakteure aus der Staatengemeinschaft sollen immerhin die 5000-Euro-Marke geknackt haben.
Das Plus bezeichnet Spotify nicht nur als ermutigend, sondern auch als richtungsweisend. Fast 44 Prozent aller in der EU erzielten Tantiemen stammten auch von Künstlern aus der Union. Das sei der höchste Anteil seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2017. 57 Prozent der Vergütungen gingen an Künstler, die nicht in englischer Sprache sängen. 28 Milliarden Mal seien europäische Künstler voriges Jahr weltweit "entdeckt" worden. 351 Milliarden Mal seien Macher vom alten Kontinent von europäischen Hörern gestreamt worden. Aber auch über 830 Millionen nutzergenerierte Playlists in den USA sollen EU-Künstler enthalten haben. In Deutschland seien mehr als die Hälfte der Lizenzeinnahmen an unabhängige Musiker gegangen.
Obwohl die Musikindustrie hierzulande und weltweit erneut boomt und 2024 mit 2,38 Milliarden Euro den höchsten Umsatz aller Zeiten erzielte – maßgeblich getragen vom Streaming (78,1 Prozent) – kommen viele Künstler nicht auf einen grünen Zweig. Die deutsche Popmusikerin Balbina beklagte sich gerade gegenüber dem Zeit-Magazin, sie habe voriges Jahr mit ihren Songs über Spotify insgesamt nur 343,36 Euro verdient. Das sei geradezu tragisch: "Ich mache Musik, um zu überleben. Aber ich überlebe nicht, weil ich Musik mache." Vor zehn Jahren, als ihre Musik über CDs vertrieben worden sei, habe sie noch viel mehr damit verdient.
Verführerische Zahlen
Generell spiegeln die von Spotify veröffentlichten hohen Gesamtausschüttungen nicht die Realität der meisten Musikschaffenden wider. Die Zahlen verschleiern, dass nur ein winziger Bruchteil aller Künstler auf Spotify (rund 0,4 Prozent) die 10.000-Euro-Marke überspringt. Die allermeisten verdienen weiterhin kaum etwas. Im Schnitt gibt es nur etwa 0,003 Euro pro Stream. Um 10.000 Euro zu erreichen, sind Millionen von Abrufen nötig.
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Größter Stein des Anstoßes: Spotify wirft alle Einnahmen in einen Topf. Das Geld wird dann nach dem "Pro-Rata-Modell" proportional zu den Streams verteilt. Dies begünstigt Superstars und große Labels, während kleine Künstler – selbst bei vielen Hörern – nur Centbeträge erhalten. Die genannten 10.000 Euro sind zudem Bruttoeinnahmen. Labels, Verlage und Distributoren ziehen oft einen Großteil ab, bevor das Geld beim eigentlichen Macher ankommt.
Grönemeyer: "Verbrecherisches System"
Zu den schärfsten Kritikern dieses Streaming-Abrechnungsmodells gehört neben Balbina Herbert Grönemeyer. Die Pop-Legende bezeichnete dieses System nun sogar als "verbrecherisch", da "der Mittelbau wegbricht". Anfang 2024 hat Spotify sein Vergütungsmodell geändert. Songs, die jährlich weniger als 1000 Streams erzielen, gehen leer aus. Das betrifft vor allem Newcomer und Nischenkünstler.
Zusammen mit Stars wie Helene Fischer, Marius Müller-Westernhagen, Sarah Connor und Peter Maffay startete Grönemeyer schon 2020 eine Initiative, um die dank Streaming wieder stärker sprudelnden Einnahmequellen gerechter aufzuteilen. Die Allianz macht sich dafür stark, die anteilige Abrechnung durch ein nutzungsbasiertes System zu ersetzen, bei dem die Zahl der Hörer entscheidend ist. Auch EU-Abgeordnete drängten 2023 darauf, die Vergütungsstandards zu überarbeiten.
(nie)