kleinanzeigen.de sperrt Kunden aus
Onlineportale benutzen automatische Filter und Algorithmen, um sich fragwürdige Inhalte und betrügerische Aktivitäten vom Hals zu halten.
(Bild: c't)
- Tim Gerber
Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 1.5.2025 in c't 10/2025 erschienen ist.
Falk K. wollte ein nicht mehr benötigtes Hochbett verkaufen. Dazu meldete er sich am 8. März auf der Plattform kleinanzeigen.de an und erstellte eine Anzeige, um das Möbelstück zum Kauf anzubieten. Doch beim Versuch, die Anzeige online zu stellen, erhielt er eine Nachricht, dass deren Inhalt gegen die Nutzungsbedingungen von kleinanzeigen.de verstoße und deshalb gelöscht werde. Außerdem drohte man ihm an, dass er bei weiteren Verstößen ganz von der Nutzung des Portals ausgeschlossen würde.
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Freilich ist sich Falk K. keinerlei Schuld bewusst. Seine Anzeige ist völlig harmlos und es finden sich Dutzende ähnlicher Anzeigen auf dem Kleinanzeigenportal. Deshalb antwortete er auf die E-Mail an die als Absender angegebene Serviceadresse und bat darum, dass man sich die Anzeige doch einmal ansehen und prüfen solle, ob sie nicht doch freigeschaltet werden könne. Wenige Minuten später erhielt er eine automatisierte Bestätigung, dass sein Anliegen geprüft werde.
Am Morgen des 11. März, einem Dienstag, erhielt er zeitgleich zwei E-Mails vom Kleinanzeigen-Service: Mit der einen teilte ihm das Unternehmen mit, dass seine Anzeige zum Verkauf des Hochbetts nun veröffentlicht worden sei. Der E-Mail hing sogar ein PDF mit der Anzeige als sogenanntes Verkaufsschild an.
(Bild:Â Falk K.)
Doch die Freude über den Erfolg hielt genau bis zum Klick auf die zweite E-Mail: "Wir mussten dein Nutzerkonto gemäß § 6 unserer Nutzungsbedingungen sperren, da wir auffällige bzw. untypische Aktivitäten in deinem Nutzerkonto feststellen mussten. Diese Maßnahme wurde durch unser automatisiertes Kontrollsystem und eine potenzielle Prüfung durch einen Moderator durchgeführt. Du kannst daher nicht mehr auf unsere Plattform zugreifen."
Eine Minute später kam noch eine dritte E-Mail vom Kleinanzeigen-Team: "Die Anmeldung in deinem Nutzerkonto wird zukünftig nicht mehr möglich sein. Diese Entscheidung ist endgültig. Wir bitten dich daher, Abstand von unserem Marktplatz zu nehmen. Weitere Anfragen deinerseits werden wir gern zur Kenntnis nehmen, jedoch nicht mehr beantworten." Dennoch wünsche man alles Gute.
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AbgebĂĽgelt
Völlig perplex schrieb Falk K. zurück, dass er sich keinerlei Schuld bewusst sei. Man möge ihm doch den konkreten Grund nennen, was an der Anzeige nicht korrekt sei, bat er: "Ich bin echt ratlos. Es ist doch nur ein Bett. Ist an den Bildern was falsch? Oder ist die Beschreibung des Bettes das Problem?", rätselte der verbannte Kunde.
Nach ein paar Stunden teilte ihm das Kleinanzeigen-Unternehmen mit einer Standard-Antwort mit: "Aufgrund unserer Sicherheitsprüfungen haben wir uns dazu entschlossen, Sie vom Handel auf unserer Plattform auszuschließen. Zu diesem Zweck haben wir Ihr Nutzerkonto gesperrt. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Es gibt vielfältige Gründe, die zu einem dauerhaften Ausschluss führen können. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nicht genauer auf die Gründe eingehen können, die in Ihrem Fall zu unserer Entscheidung geführt haben. Unsere Entscheidung ist endgültig. Weitere Anfragen Ihrerseits werden wir nicht mehr beantworten."
Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.
Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.
Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.
Nun wusste sich der langjährige Leser keinen Rat mehr und wandte sich verzweifelt an c’t. Auch uns kam die Sache merkwürdig vor. Dass Betreiber solcher Plattformen gegen Missbrauch jeglicher Art vorgehen und sich dabei in einem ersten Schritt automatisierter Verfahren bedienen, ist im Interesse der Nutzer und deshalb nicht zu beanstanden. Dass dabei mitunter auch das Kinderbett mit dem Bade ausgeschüttet wird, ist schwerlich zu vermeiden. Aber dass auf die Beschwerden hin offenbar keine Überprüfung maschineller Entscheidungen durch Mitarbeiter erfolgt ist und solche Überprüfungen als "potenziell" bezeichnet werden, also eine keineswegs zwingende Möglichkeit, verwunderte uns doch.
Wir fragten deshalb am 19. April bei der Pressestelle von kleinanzeigen.de nach, was an der harmlosen Anzeige von Falk K. denn anstößig gewesen sei und vor allem, warum auf seine mehrfache Beschwerde keine Korrektur erfolgt sei.
Schnell erledigt
Darauf dauerte es keine zwei Stunden und der Kunde erhielt einen Anruf, in dessen Folge sein Account reaktiviert und seine Anzeige freigeschaltet wurde. Dasselbe teilte uns auch ein Unternehmenssprecher mit. Eine Woche später war das Hochbett dann auch erfolgreich verkauft.
In einem Telefonat erläuterte uns der Pressesprecher, dass bei Beschwerden eigentlich tatsächlich jemand die Sache hätte persönlich prüfen sollen. Warum das hier nicht erfolgt sei, könne man nicht sagen. Zu den Gründen, die zu der Sperrung geführt hatten, wollte der Sprecher nichts sagen, weil bei Bekanntgabe die Gefahr bestehe, dass wirkliche Spitzbuben die Algorithmen austricksen könnten.
Für diese Verschwiegenheit haben wir sogar Verständnis. Für den Umgang von kleinanzeigen.de mit den Beschwerden seines Kunden allerdings nicht die Bohne.
(tig)