Kommentar: Open Source auch für die Bösen!

Wer sich mit dem Etikett der Freiheit schmückt, darf bei Open Source oder Creative Commons nichts und niemanden ausschließen, meint Hartmut Gieselmann.

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"Freiheit" und "Offenheit" sind längst zu PR-Schlagwörtern verkommen, mit denen sich Konzerne, Politiker und Künstler schmücken. Wer will nicht als offen gelten? Die anderen, das sind Autokraten und Faschisten – eben all die Bösen, mit denen man nichts zu tun haben möchte.

Doch was wirklich als frei gilt, wird zunehmend verwässert. Immer häufiger tauchen Lizenzen auf, die zentrale Freiheitsrechte einschränken: die Freiheit, ein Werk oder eine Software zu nutzen, zu studieren, weiterzugeben und zu verändern.

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Ein Beispiel ist der Musiker Moby, der seine Songs gratis anbietet – aber nur, solange sie nicht für rechte Politik oder Werbung für Tierprodukte genutzt wird. Noch weiter geht die "Hippocratic License": Mit einem Lizenzbaukasten können Entwickler festlegen, wer ihre Software zu welchen Zwecken nutzen darf und wer nicht. Die Auswahl reicht von Taliban-Mitgliedern bis hin zu Medienvertretern, die mit Gewaltdarstellungen selbige angeblich fördern.

Ein Kommentar von Hartmut Gieselmann
Ein Kommentar von Hartmut Gieselmann

Redakteur Hartmut Gieselmann, Jahrgang 1971, ist seit 2001 bei c't. Er leitet das Ressort Anwendungen, Datenschutz & Internet und bearbeitet unter anderem aktuelle Themen rund um die Bereiche Medizin-IT, Netzpolitik und Datenschutz.

Jeder kann so die Gruppen oder Zwecke ausschließen, die ihm nicht passen – oder die gerade nicht opportun sind. Das ist vielleicht gut gemeint, aber vollkommen kontraproduktiv. Hippokratische Lizenzen sind vielmehr hypokritisch: Sie untergraben das eigentliche Ziel, Zugangshürden zu senken und Machtkonzentrationen abzubauen. Stattdessen fördern sie Fragmentierung, Unsicherheit sowie ein Lizenzchaos und hindern damit Open Source, sich zu verbreiten. Wer entscheidet künftig, was gut und was böse ist? Wer soll rechtssicher beurteilen, ob ein Nutzer oder Zweck zulässig ist?

Solche moralischen Filter widersprechen den Prinzipien der Free Software Foundation (FSF) und der Open Source Initiative (OSI): Beide lehnen Nutzer- oder Zweckbeschränkungen ausdrücklich ab. Denn Freiheit gilt entweder für alle – oder sie ist keine. Eine hippokratische Lizenz ist daher inkompatibel mit Open Source und Creative Commons. Damit geschützte Inhalte lassen sich ebenso wenig miteinander mischen wie Öl mit Wasser.

Die OSI ist da eindeutig: Open Source darf weder Personen diskriminieren noch Einsatzbereiche ausschließen. Wer das trotzdem tut, betreibt in Anlehnung an "Greenwashing" ein blütenreines "Openwashing": Er schmückt sich mit dem Etikett der Freiheit und tritt sie im Kleingedruckten mit Füßen.

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(hag)