OLG: Heimliche Kamera im Zimmer eines Mitbewohners ist nicht per se strafbar

Das Anbringen einer Überwachungskamera im Raum eines Mitbewohners verletzt dessen höchstpersönlichen Lebensbereich nicht automatisch, so ein Oberlandesgericht.

vorlesen Druckansicht 433 Kommentare lesen
Großes Schild "Oberlandesgericht – Generalstaatsanwaltschaft", darhinter ein schmuckloser Zweckbau

OLG Hamm

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
close notice

This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Paragraf 201a Strafgesetzbuch (StGB) schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich und weitere Persönlichkeitsrechte vor heimlicher Ausspähung durch Bildaufnahmen. Strafbar ist trotzdem nicht jedes Foto oder Video in einem privaten Raum. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm am 18. März (Az. ORs 24/25) entschieden; der Beschluss wurde jetzt veröffentlicht. Demnach bedarf es für Strafbarkeit zusätzlich der "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der abgebildeten Person", also ihrer Intimsphäre.

In dem Fall stellte der Angeklagte im Juli 2023 heimlich eine Videokamera mit Bewegungsauslöser versteckt hinter einem Rollcontainer im Zimmer eines Mitbewohners auf. Der entdeckte das Überwachungsgerät laut Beschluss bereits einen Tag später zufällig beim Putzen. In der Hauptverhandlung zunächst vor dem Amtsgericht Warendorf legte die Staatsanwaltschaft Aufnahmen vor, die Polizeibeamte nach Auswertung der Speicherkarte ausgedruckt hatten.

"Die Qualität dieser Bilder ist eher schlecht", merkte die erste Instanz an. Aufgenommen worden sei etwa eine bekleidete Person, die aber nicht zu erkennen sei. Zu sehen seien lediglich die Oberschenkel, der untere Bereich des Oberkörpers, eine Hand mit einem Buch oder Heft. Im Wesentlichen finde sich die Laufrolle des Containers immer wieder auf den Videos. Der Zeuge sei dabei allenfalls beiläufig und angezogen zu erkennen. Schließlich sei die Zimmersäuberung mit dem Wischmob zu erkennen.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten im September 2024 nach Einziehung der sichergestellten Kamera nebst SD-Karte nach Paragraf 201a StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 100 Euro, also 5.000 Euro. Höchststrafe wären bis zu zwei Jahre Freiheitsentzug gewesen.

Die Warendorfer Richter begründeten ihr Urteil damit, dass es sich bei dem Zimmer zu dem Zeitpunkt um den Wohnraum des Ausgespähten und dessen Meldeanschrift gehandelt habe. Auch wenn dieser sich "häufig woanders aufhielt", sei es "sein höchstpersönlicher Lebensraum" gewesen. "Die Kamera war auf sein Bett gerichtet", führte die erste Instanz aus. Vor allem die Aufnahme von Teilen des Körpers beim Lesen sei als höchstpersönliche Abbildung zu werten. Dazu sei keine Nacktaufnahme erforderlich. Von einem Zufall könne keine Rede sein.

Videos by heise

Der Angeklagte ergriff das Rechtsmittel der Revision. Zumindest vorerst mit Erfolg. Das OLG hebt das angefochtene Urteil auf und verweist den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Warendorf zurück.

Der Angeklagte habe zwar unbefugt Bildaufnahmen von einer anderen Person in deren Wohnung erstellt, führt das OLG aus. Strafbarkeit sei anhand der in Augenschein genommenen Bilder aber nicht festzustellen. Dafür müssten insbesondere "die Bereiche Krankheit, Tod und Sexualität" berührt werden. Entsprechend strafbewehrte Aufnahmen umfassten grundsätzlich "die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen" sowie Angelegenheiten, "für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht" wie etwa Gesundheitszustand, Einzelheiten über das Sexualleben sowie Nacktaufnahmen. Auch bestimmte Tatsachen aus dem Familienleben seien dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Dies gelte nicht bei Abbildungen "neutraler" Handlungen wie Arbeiten, Kochen, Lesen, Fernsehen, Essen oder Schlafen in der Wohnung – wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen.

Laut OLG ist nicht auszuschließen, dass unter den Videodateien nicht doch Aufnahmen sind, die den höchstpersönlichen Lebensbereich des Betroffenen tangieren. Das soll das Amtsgericht prüfen. Es habe zutreffend angenommen, dass Nacktbilder nicht zwingend vorkommen müssen, um Strafrecht zu verletzen.

Der Strafrechtler Jens Ferner begrüßt die Entscheidung, da es die Konturen der Norm schärfe und diese vor "übermäßiger Ausdehnung" bewahre. Sie sei auch für datenschutz- und zivilrechtliche Diskussionen zur Reichweite des Persönlichkeitsrechts bedeutsam.

(wpl)