"Wir könnten ein Atomkraftwerk ersetzen"

In der Schweiz geht in diesem Sommer das erste Wasserwirbelkraftwerk ans Netz. Der Bauherr, eine Genossenschaft, kann sich Tausende der umweltfreundlichen Stromerzeuger vorstellen.

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Inhaltsverzeichnis

In der Schweiz geht in diesem Sommer das erste Wasserwirbelkraftwerk ans Netz. Der Bauherr, eine Genossenschaft, kann sich Tausende der umweltfreundlichen Stromerzeuger vorstellen.

Wenn von Wasserkraft an Flüssen und Seen die Rede ist, denkt man normalerweise an großtechnische Anlagen mit mehreren Staustufen, riesigen Turbinen und enormer Durchflussleistung, die ganze Regionen versorgen können. Es geht aber auch deutlich kleiner: Mit Hilfe der sogenannten Wasserwirbeltechnik lassen sich in Staubecken, durch die Teile des Flusswassers umgeleitet werden, auch minimale Fallhöhen ausnutzen, um Strom zu erzeugen.

In der Schweiz will nun die Genossenschaft Wasserwirbelkraftwerke, kurz GWWK, die Nutzung der Technologie vorantreiben – sie möchte dazu überall im Land umweltbewegte Menschen zusammenführen, die gemeinsam Anlagen finanzieren und aufbauen. Das scheint anzukommen: Nach sieben Monaten waren 100 private Geldgeber für ein erstes Kraftwerk im Kanton Aargau gefunden, 300.000 Franken kostete die nach dem Solar-Flugzeug-Pionier Dr. Bertrand Piccard benannte Anlage. Kurz vor Inbetriebnahme unterhielt sich Technology Review mit GWWK-Sprecher Daniel Styger.

Technology Review: Herr Styger, Ihre Genossenschaft steht kurz vor Eröffnung des ersten Wasserwirbelkraftwerks der Schweiz. Wer steckt hinter dem Projekt und wie kam es zu der Idee?

Daniel Styger: Vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren suchte der Gründer unserer Genossenschaft nach einer guten Möglichkeit, in der Nähe seines Hauses, das am Fluss Suhre in Schöftland / Schweiz steht, Naturstrom aus dem Flusswasser zu gewinnen. Da bei dem alten Haus früher ein Wasserrad betrieben wurde, diese Technologie aber nicht mehr den heutigen Bedürfnissen auch in puncto Leistung entspricht, hat Herr Steinmann dann im Internet nach neuen Möglichkeiten gesucht.

Er entdeckte in Österreich einen Erfinder, der sich ein kleines Wasserwirbelkraftwerk gebaut hat, das dort schon einige Zeit lief. Nach einigen Verhandlungen konnte man die Lizenz für die ganze Schweiz erwerben und gab sofort das erste Bewilligungs- und Baugesuch beim Kanton Aargau ein. Diese erhielt man dann auch prompt nach nur 10,5 Monaten, denn die Behörden hatten rasch erkannt, dass in der Technologie großes Potenzial liegt.

Danach gründeten wir sofort die Genossenschaft Wasserwirbelkraftwerke Schweiz, die die Finanzierung organisierte und als Eigentümerin agiert. Mittlerweile hat sie über 150 Genossenschafter, mehrere Darlehens- und Forschungsgeldgeber sowie viele Freunde und Befürworter dieser neuartigen Technologie. Dabei ist wichtig, dass bei jedem Projekt immer eine Fluss-Revitalisierung und -Renaturierung inklusive Fischdurchgängigkeit integriert wird.

TR: Wie funktioniert ein Wasserwirbelkraftwerk?

Styger: Stellen Sie sich eine gefüllte Badewanne vor, bei der das Wasser ausgelassen wird und am Schluss beim Ablaufloch automatisch einen Wasser-Wirbel bildet. Beim Wasserwirbelkraftwerk ist dies ähnlich. Das Wasser wird über einen Einlaufkanal zum runden Rotationsbecken geführt und durch eine zentrale Abflussöffnung in der Mitte des Beckenbodens in eine Rotationsbewegung versetzt. In diesen Wasserwirbel wird ein Rotor gestellt, um die Rotationsenergie in elektrische Energie umzuwandeln.

Das Funktionsprinzip kann bereits bei geringen Fallhöhen ab 0,7 m und einer durchschnittlichen Wassermenge von 1000 Litern pro Sekunde angewendet werden und ist für die Kleinwasserkraftnutzung sehr gut geeignet. Es werden langsam drehende Rotoren eingesetzt, die für Treibgut, Fische, Krebse oder Schnecken durchgängig sind.

Der sich über dem Abfluss bildende Wasserwirbel bewegt mit Hilfe der Schwerkraft dank der Höhendifferenz einen langsam drehenden Rotor mit rund 20 Umdrehungen pro Minute. Dieser treibt den Generator an, der den Naturstrom produziert und ins Netz einspeist. Da im Bereich des Rotors keine extremen Druckunterschiede auftreten, entfallen die damit verbundenen Verschleißerscheinungen, beispielsweise durch Kavitationsfraß. Die technische Ausrüstung ist einfacher als bei herkömmlichen Wasserkraftwerken. Dadurch sind die Unterhalts- und Wartungskosten geringer.

TR: Eignet sich jedes Fließgewässer?

Styger: Beim aktuellen Technologiestand sind wir auf Wassermengen von durchschnittlich mindestens 750 bis 1000 Litern pro Sekunde angewiesen. Durch zielgerichtete Forschung und Weiterentwicklung, beispielsweise des Rotors, der elektronischen Steuerung und der Baumaterialien, werden wir zukünftig aber auch kleinere Wassermengen sinnvoll nutzen können.