Neuer Entwurf zum Urheberrecht weiter unter Beschuss

Verbraucher- und Nutzervertreter fordern die Durchsetzbarkeit der Privatkopie gegen Kopierschutzsysteme und sehen vor allem die Rechteinhaber als Gewinner -- die Union will deren Sanktionsmöglichkeiten sogar noch stärken.

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Die geplanten neuen Regelungen zum Urheberrecht, die Justizministerin Brigitte Zypries Ende vergangener Woche vorgestellt hat, stoßen weiter auf Kritik von allen Seiten. Die Einschätzung der bisher enthüllten Eckpunkte geht dabei weit auseinander. So erheben Verbraucher- und Nutzervertreter gegen das weiter zahnlose Schrankenrecht zur Privatkopie Einspruch. Sie sehen die Rechteinhaber als die großen Gewinner der geplanten Reform. Politiker der Union wollen die Sanktionsmöglichkeiten der Verwerter dagegen weiter stärken und setzen auf Systeme zum Digital Rights Management (DRM) statt auf "steigende Pauschalabgaben".

"Wir sind sehr enttäuscht, dass die Privatkopie nicht gegen DRM durchsetzbar sein soll", erklärte Helke Heidemann-Peuser, Referatsleiterin Wirtschaftsrecht beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in einer ersten Stellungnahme gegenüber heise online . Es gehe dabei nicht nur um die berühmte Sicherheitskopie oder die Zweit-CD fürs Auto, sondern "um den Umgang mit Informationen und Kulturgütern allgemein und wie frei wir darin sind". Die Verfügungsmacht darüber "sollte nicht vollständig in den Händen der Rechteinhaber liegen", betont die Expertin und konstatiert: "Der Entwurf wird nach dem bisher vorliegenden Papier den Ansprüchen der Verbraucher nicht gerecht."

"Die Belange der Allgemeinheit bleiben größtenteils auf der Strecke", beklagt auch Till Kreutzer vom Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) die "weit gehende Dominanz der Rechteinhaber". "Die Privatkopie sichert die Teilnahme am kulturellen Leben für diejenigen, die sich den Erwerb eines eigenen Vervielfältigungsstücks nicht leisten können", macht sich der Experte für Nachbesserungen stark. Sie habe eine" wichtige Verteilungsfunktion". Zudem sei es den Surfern nicht zuzumuten, im internationalen Internet mit seinen verschiedenen Rechtssystemen die mögliche "Rechtswidrigkeit" eines Online-Angebots zu prüfen, wie es das Justizministerium vorsieht. Darüber hinaus lasse die angedachte "Konkurrenzlösung" beim digitalen Kopienversand durch Bibliotheken mit Verlagsangeboten befürchten, "dass zukünftig nur noch gut situierte Nutzer von diesem Dienst Gebrauch machen können."

Den eigentlichen Urhebern nicht gerecht wird dem ifrOSS zufolge Zypries' Vorstoß zur Öffnung von Medienarchiven. Zu diesem Zweck sollen erstmals Verträge über noch unbekannte künftige Nutzungsarten abgeschlossen werden können. Der Entwurf gestattet Verwertern etwa, alte Hörspiele oder Filme beispielsweise über das Internet oder auf DVD zu verbreiten. Der Urheber wird dem Plan nach mit einer Pauschalvergütung entschädigt. Er soll auch im Lauf eines Jahres der nicht ausgemachten Nutzung widersprechen können. "Durch die geplante Regelung wird den Urhebern der Schutz vor der Verhandlungsübermacht der Verwerter vor allem im Filmbereich genommen und ein vollumfassender Buy-out seiner Rechte wie in den USA ermöglicht", kritisiert Kreutzer das Vorhaben. Der Schutz der Kreativen werde "erheblich beeinträchtigt".

Auch aus dem Parlament, das sich erst nach der Vorlage eines Kabinettsentwurfs voraussichtlich Anfang 2005 mit dem "Zweiten Korb" der Urheberrechtsreform beschäftigen wird, gibt es erste Einschätzungen der Vorschläge des Justizministeriums. Ein Konsens liegt demnach in weiter Ferne. "Die Durchsetzbarkeit der digitalen Privatkopie -- gerade beim Vorhandensein von Kopierschutzmaßnahmen -- muss auf breiter Basis möglich und erlaubt sein", fordern etwa Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, und ihr für die Rechtspolitik zuständiger Kollege, Jerzy Montag. Der CDU-Urheberrechtsexperte Günter Krings macht sich dagegen für das komplette Aus für die digitale Privatkopie stark. Er vermisst ferner ein klares "Bekenntnis" der Bundesregierung zu einem "Auskunftsanspruch der Rechteinhaber gegen den Internetprovider". Andernfalls handle es sich beim geplanten Kopierverbot aus Tauschbörsen nur um eine "symbolische Gesetzgebung", da dieses Musikunternehmen oder Filmproduzenten "mangels Information niemals vor einem Zivilgericht durchsetzen" könnten.

Zu den Eckpunkten des Bundesjustizministeriums für die weitere Novellierung des Urheberrechts siehe auch:

Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)