Polizeiarbeit: Training von KI-System mit Material aus Videoüberwachung

Ein Forschungsprojekt zeigt problematische Auswirkungen des Einsatzes von KI bei der Überwachung öffentlicher Plätze.

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(Bild: Polizeipräsidium Mannheim/Fraunhofer IOSB)

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Die Polizei Hamburg und das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) planen ein Pilotprojekt zur KI-gestützten Videoüberwachung. Ab dem 1. September 2025 sollen Videoaufnahmen von Menschen auf dem Hansaplatz in St. Georg und dem Hachmannplatz am Hauptbahnhof genutzt werden, um einem vom IOSB entwickelten KI-System beizubringen, polizeilich relevante Situationen zu erkennen. Gemeint sind Verhaltensmuster der von den Kameras erfassten Personen, die auf Straftaten hindeuten, zum Beispiel Schlagen oder Treten.

Gegenüber dem NDR sagte ein Polizeisprecher, dass einzelne Aufnahmen bis Ende August 2026 gespeichert werden können. Wer nicht möchte, dass seine oder ihre Aufnahmen zum KI-Training genutzt werden, muss die Plätze zu den ausgewiesenen Zeiten meiden. Das System soll einmal Polizeibeamte bei der Überwachung öffentlicher Plätze unterstützen, indem es in Zukunft relevante Bilder vorfiltert, denn laut der Webseite des Fraunhofer-Instituts kann niemand "über Stunden hinweg die Bilder von Dutzenden Videokameras parallel und mit konstanter Aufmerksamkeit verfolgen."

Mehr zu Recht und Datenschutz

Die KI soll nicht nur die Polizeiarbeit künftig effizienter machen, sondern nach Ansicht des Herstellers auch eine datenschutzfreundlichere Überwachung ermöglichen. Erreicht werden soll das, indem von den Kameras erfasste Personen in Strichmännchen mit Vektoren für Rumpf, Kopf und Extremitäten umgerechnet werden. Die Technik gleicht ab, ob die Bewegungen vordefinierten Mustern entsprechen.

Ein Bild aus einem Testlauf aus Mannheim zeigt, wie das System Personen in Vektoren umrechnet.

(Bild: Polizeipräsidium Mannheim/ Fraunhofer IOSB)

Befürworter werten das als Anonymisierung, weil Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Hautfarbe so nicht mehr erkennbar sein werden. Wirklich anonym sind die Daten aber auch dann nicht. Die KI hantiert zwar mit den Strichmännchen, es kommen aber trotzdem Live-Aufnahmen in der Dienststelle an. Zu sehen sein wird nur eine verpixelte Version, aber die Aufnahmen lassen sich laut Fraunhofer-Institut bei Bedarf scharf stellen, wenn das System glaubt, dass sich ein Mensch die Situation anschauen sollte.

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Forscher der Uni Hamburg und der TU Chemnitz befassen sich in einem bis 2026 angesetzten Forschungsprojekt mit den sozialen Auswirkungen der KI-gestützten Videoüberwachung. Unter anderem den parlamentarischen Diskurs haben die Forscher untersucht: Neben SPD sind auch CDU und Grüne für den Einsatz der Technik, sie folgen der Argumentation des Herstellers, dass sich so Überwachung und Datenschutz vereinbaren lassen. Die Linke ist dagegen.

Auch haben die Forscher ausgewertet, wie die Medien über den Testlauf berichten: vor allem aus ordnungspolitischer Sicht. Weniger als ein Fünftel der Stimmen, die laut den Forschern in den Medien zu Wort kommen, äußert sich negativ und hebt Kritikpunkte hervor. Darunter sind zum Beispiel der Chaos Computer Club, Mitglieder des "Einwohner:innen-Verein St. Georg" und der innenpolitische Sprecher der Linken, Deniz Celik. Die Technik sei eine Blackbox, führe zur Intensivierung der Überwachung und sei mit den Persönlichkeitsrechten unvereinbar.

Die Kritik war bereits laut geworden, als das System in einer ersten Pilotphase im Jahr 2023 am Hamburger Hansaplatz für drei Monate im Betrieb war. Dort gibt es seit 2019 konventionelle Videoüberwachung, die laut den Forschern medial als Positivbeispiel für erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung angeführt wird. Zu den meistzitierten Befürwortern gehören etwa der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD), eine ehemalige Sprecherin der Polizei, der Polizeivizepräsident und der Polizeipräsident sowie Sprecher der Innenbehörde. Die KI-Kameraüberwachung scheinen Medienschaffende vor allem im Hinblick auf deren Skalierungspotenzial zu behandeln. Bereits jetzt ist medial eine Ausweitung auf andere Standorte im Gespräch, etwa den öffentlichen Nahverkehr, den Jungfernstieg oder die Reeperbahn. Auch kann sich die Hamburger Polizei offenbar vorstellen, Sport- und Großveranstaltungen damit zu überwachen.

Wie die Technik am Ende von der Polizei eingesetzt werden wird, ist laut den Forschern der beiden Hochschulen unklar. Sie halten es im Gespräch mit Netzpolitik.org für denkbar, dass die Technik künftig um weitere Funktionen erweitert wird, etwa Objekterkennung oder Tracking. Dass das System noch nicht fertig entwickelt sei, mache es schwierig, einzuschätzen, was sie derzeit könne und womit man in Zukunft rechnen müsse. Bei Tests im öffentlichen Raum sei diese Ungewissheit problematisch.

Ihre Erkenntnisse wollen die Forscher nutzen, um eine Toolbox zu entwickeln. Sie soll Menschen, in deren Stadt eine KI-gestützte Technik eingeführt werden soll, dabei helfen, sich über KI-Nutzung bei der Polizei zu informieren.

(kst)