Einstufung als VLOP: EU-Gericht weist Zalandos Einspruch zurĂĽck

Das EU-Gericht hat die Klage von Zalando gegen die Einstufung als sehr große Online-Plattform nach dem DSA abgewiesen. Der Händler will weiterkämpfen.

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Zalando-Kartons

(Bild: nitpicker / Shutterstock.com)

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Rückschlag für Zalando: Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat die Klage von Zalando gegen die Einstufung als "sehr große Online-Plattform" nach dem Digital Services Act (DSA) abgewiesen. Entsprechende Betreiber sind zum Management "systemischer Risiken" verpflichtet und müssen Berichte über getroffene Abhilfemaßnahmen erstellen. Auch Zalando muss sich also weiterhin an die strengeren Regeln halten.

Die EU-Kommission benannte den Berliner Online-Händler, der vor allem Modeartikel und Beauty-Produkte vertreibt, im April 2023 als sehr große Plattform im Sinne des Gesetzes über digitale Dienste. Sie war dabei der Ansicht, dass die durchschnittliche monatliche Zahl der aktiven Nutzer von Zalando in der EU mehr als 83 Millionen betrage und damit über dem Schwellenwert von 45 Millionen beziehungsweise 10 Prozent der Bevölkerung in der Gemeinschaft liege.

Zalando reichte Mitte 2023 als erstes betroffenes Unternehmen Klage gegen diese Entscheidung der Kommission ein. Die deutsche E-Commerce-Größe warf der Kommission vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass der Online-Händler "überwiegend Einzelhandelscharakter" habe und bei ihm kein "systemisches Risiko" der Verbreitung schädlicher oder illegaler Inhalte von Dritten bestehe.

Zalando biete Kunden "eine sichere Online-Umgebung mit sorgfältig ausgewählten und geprüften Produkten führender Marken und etablierter Partner", begründete das Unternehmen den Gang vor Gericht. Der DSA sei zum Einhegen völlig anderer Geschäftsmodelle gedacht.

Zudem habe die Kommission die Anzahl der Nutzer falsch berechnet, meint Zalando: Es dürften nur Nutzer gezählt werden, die Produkte von Drittanbietern über das sogenannte Partnerprogramm kaufen. Direkte Verkäufe an eigene Kunden sollten nicht mitgezählt werden, weil sie nicht unter die Definition einer Online-Plattform fielen. Nach eigener Berechnung wären so nur rund 30 Millionen Nutzer relevant gewesen.

Die Luxemburger Richter ließen diese Ansicht mit ihrem am Mittwoch ergangenen Urteil in der Rechtssache T-348/23 nicht gelten und bestätigten die Entscheidung der Kommission. Sie stellten klar, dass die gesamte Plattform betrachtet werden muss. Die Kommission habe keine Möglichkeit gehabt, die User des Partnerprogramms gesondert zu zählen. Sie habe so davon ausgehen dürfen, dass alle 83 Millionen Nutzer potenziell den Inhalten von Drittanbietern ausgesetzt sind beziehungsweise waren.

Das EuG wies zugleich Zalandos Argumente zurück, wonach die Einstufung als sehr große Online-Plattform unfair oder unrechtmäßig sei. Der Kläger hatte vorgetragen, die Regeln verstießen gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit, wonach Maßnahmen auch angemessen sein müssen. Das Gericht begründete seine andere Einschätzung damit, dass Online-Marktplätze mit mehr als 45 Millionen Nutzern ein hohes Risiko darstellten: Sie könnten zur Verbreitung von gefährlichen oder illegalen Produkten an eine große Bevölkerungsgruppe in der EU genutzt werden. Daher seien die strengeren Auflagen für solche Plattformen gerechtfertigt.

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Zalando zeigte sich enttäuscht über das Urteil. Das Gericht habe nicht angemessen berücksichtigt, dass das Unternehmen auf seiner Plattform "ausschließlich kuratierte, hochwertige Produkte von etablierten und vertrauenswürdigen Markenpartnern anbietet". Letztere müssten "strenge und gründliche Prüfungsverfahren" befolgen, damit ihre Waren vorab festgelegten hohen Qualitäts- und Ethikstandards entsprächen.

Dieses kuratierte Geschäftsmodell stelle kein "systemisches Risiko" dar, betonte Zalando gegenüber heise online. Der Beschluss verfestige auch die Unsicherheit hinsichtlich der Nutzerzahlen ("aktive Empfänger eines Dienstes"), da das derzeitige Fehlen einer gemeinsamen Methodik "zu einer inkohärenten, uneinheitlichen Anwendung des Rechts" führe. Vor diesem Hintergrund will Zalando Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen, über die dann der Europäische Gerichtshof (EuGH) befinden müsste.

Auch Amazon klagt gegen die Einordnung als sehr große Plattform nach dem DSA. Der US-Konzern sieht auf der eigenen Plattform ebenfalls keine systemischen Risiken für die Verbreitung gefährlicher oder rechtswidriger Inhalte von Dritten. Im Gegensatz dazu setzt etwa der auf Kleidung und Mode spezialisierte Online-Händler Shein aus China auf Kooperation mit der Kommission: er will die strengsten DSA-Vorschriften einhalten.

Der DSA verankert EU-weite Sorgfaltspflichten für alle digitalen Dienste, die Verbraucher mit Waren, Services oder Inhalten versorgen. Dazu gehören etwa neue Vorschriften zur Entfernung illegaler Inhalte. Für sehr große Online-Plattformen, die mehr als 10 Prozent der EU-Bevölkerung beziehungsweise über 45 Millionen Bürger in den Mitgliedsstaaten erreichen, gelten besonders strenge Vorgaben.

Diese sogenannten VLOPs (Very Large Online Platforms) müssen Risikoabschätzungen durchführen und ausgemachte Gefahren etwa für die Demokratie, die öffentliche Sicherheit, die Grundrechte und den Jugendschutz minimieren. Einschlägige Betreiber werden an der finanziellen Last ihrer Aufsicht mit Gebühren von bis zu 0,05 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes beteiligt.

(vbr)