UKW-Abschaltung in der Schweiz: Parlament bereitet RĂĽckzieher vor

Bleibt der Schweiz doch ein (privates) UKW-Radioprogramm erhalten? Die groĂźe Kammer des Parlaments stimmte jetzt mehrheitlich gegen dessen geplante Einstellung.

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Beleuchtete UKW-Frequenzanzeige

(Bild: Bojan Pavlukovic/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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Der Nationalrat – die große Kammer des Schweizer Parlaments – hat mit großer Mehrheit dafür gestimmt, auf die für Ende 2026 beabsichtigte Kompletteinstellung des UKW-Rundfunks im Lande zu verzichten. 124 Abgeordnete votierten gegen 62 (bei 8 Enthaltungen) dafür, die geplante Einstellung des verbliebenen (privaten) UKW-Rundfunks zunächst abzublasen, die aktuellen UKW-Funkkonzessionen zu verlängern oder ein neues Ausschreibungsverfahren für die Zeit ab 2027 durchzuführen. Für die Ratsmehrheit sei ein Zwang zur Umstellung auf digitale Technik wie DAB+ nicht hinnehmbar, hieß es.

Schon die vorberatende Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen argumentierte, die erzwungene Abschaltung gefährde die privaten (analogen) Radiosender und führe zur Abwanderung der Hörerschaft zu ausländischen Sendern. Die Umstellung auf DAB+ solle langsamer erfolgen – insbesondere, weil nach wie vor viele Autoradios noch kein digitales Radio empfangen könnten.

Die Ratsmehrheit erklärt auch, bereits die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) habe seit der Abschaltung ihrer UKW-Sender Ende 2024, 25 Prozent ihrer Hörerschaft verloren. Sie befürchtet ähnliche Rückgänge bei privaten UKW-Radios und entsprechend "verheerende" Verluste bei den Werbeeinnahmen. Die im Rat vorgelegten Zahlen zum Rückgang der Hörerschaft beziehen sich auf das erste Quartal.

Die SRG kommunizierte im April hingegen einen Marktanteilsverlust ihrer Radios nach der UKW-Abschaltung in Höhe von 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahressemester. Das liege aber im Rahmen der Erwartungen, mit 53 Prozent blieben sie jedoch Marktführer. Die SRG geht nach eigener Aussage davon aus, dass sich die Nutzungszahlen mit der fortschreitenden Digitalisierung erholen werden.

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Wenig begeistert vom Entscheid des Nationalrats ist die Union nicht-gewinnorientierter Lokalradios (UNIKOM), ein Verband der die Interessen nicht-kommerzieller Lokalradios vertritt und welcher sich gegen eine Verlängerung der UKW-Frequenzkonzessionen ausspricht, da dies ihre Investitionen in DAB+ gefährde. Der Nationalrat lasse sie im Regen stehen, denn die in den vergangenen Jahren aufgebauten DAB+-Radios richteten ihre Investitionen und Geschäftsmodelle darauf aus, dass UKW Ende 2026 eingestellt wird. UNIKOM fordert eine Rechtsgleichheit und Planungssicherheit, um ihre Existenz zu sichern. Radiobetreiber, die rechtzeitig auf DAB+ umgestellt haben, wären klar benachteiligt, wenn UKW-Verbleiber ohne zusätzliche Investitionen weiterhin Zugang zu Publikum und Werbemarkt hätten.

Der verantwortliche Bundesrat Albert Rösti stellte sich gegen eine weitere Verlängerung von UKW-Angeboten. Die Radiobranche habe die Umstellung selbst gewollt. Man solle die vorhandenen Mittel besser für journalistische Inhalte einsetzen. Falls das Parlament die Motion annehme, werde der Bundesrat aus Gründen der Gleichbehandlung die UKW-Konzessionen neu ausschreiben, kündigte der Medienminister an. Nun muss die Causa in der kleinen Kammer, dem Ständerat entschieden werden.

Um das Ende der UKW-Programme gibt es schon länger ein Hin und Her. Ursprünglich hatte die Schweizer Regierung, der Bundesrat, bereits 2017 das Ende vom UKW-Radio beschlossen. Im Herbst 2020 waren sich die Mitglieder der zuständigen Arbeitsgruppe Digitale Migration (DigiMig) einig, die UKW-Sender der SRF im August 2022 abzuschalten. Im Januar 2023 sollten die privaten Radiostationen folgen und ihre UKW-Sender vom Netz nehmen. 2021 wurde der Termin wieder auf den ursprünglich vorgesehenen Termin am 31. Dezember 2024 zurückverschoben. Im Oktober 2023 verlängerte der Bundesrat dann die UKW-Konzessionen ein letztes Mal bis Ende 2026. Damit erhalte die Radiobranche die gewünschte Flexibilität, um den Migrationsprozess erfolgreich abzuschließen, so das Bakom damals.

Doch bereits am 31. Dezember 2024 schaltete die SRG SSR (finanziert analog zu öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten durch allgemeine Medienabgaben, formal jedoch als privater Verein organisiert) ihre insgesamt 17 Radioprogramme in den vier Schweizer Sprachregionen auf den Frequenzen der analogen Ultrakurzwelle (UKW) ab. Sämtliche UKW-Programme migrierten endgültig in die digitale Welt. Im Vordergrund steht dabei DAB+ (Digital Audio Broadcast Plus). Aber auch via Internet oder auf DVB-C (Digital Video Broadcasting Cable) respektive auf DAB+ Cable sowie per Satellit (DVB-S) lassen sich die Radioprogramme der SRG digital empfangen. Das Hauptargument der SRG fürs UKW-Aus waren erhebliche Kosteneinsparungen, da die Anzahl der benötigten DAB+-Antennen deutlich geringer ist.

(mho)