Unterschätzte BMW 3er: Der 320/6 – der feine kleine Sechszylinder
Unsere Kaufberatungsserie über unterschätzte, respektive vielversprechende alte 3er-BMWs beginnt mit dem Sechszylindereinstieg in den ersten Dreier – dem 320/6
- Martin Franz
BMWs Dreier wird in diesem Jahr 50 und ist damit fast die älteste Baureihe der Marke. Sie drückt den Kern der Marke wohl noch immer am besten aus. Für eine Artikelreihe haben wir uns aus verschiedenen Generationen jene Modelle herausgesucht, die heute etwas unter dem Radar laufen, wenn man vor dem Kauf eines gebrauchten Dreiers steht.
Wenn heute vom ersten Dreier die Rede ist, steht fast immer der 323i im Fokus. Das Spitzenmodell der Baureihe wurde für seine damals überlegenen Fahrleistungen gefeiert und ist unter Fans der intern E21 genannten Baureihe klarer Favorit. Dabei gerät ein wenig aus dem Blickfeld, dass einiges für eines der drei 320-Modelle spricht. Insbesondere der 320 mit dem Sechszylinder-Vergaser hätte mehr Zuspruch verdient – den er bei den Stückzahlen übrigens damals auch bekam.
Was spricht für den 320?
Zunächst müssen wir ein wenig das E21-320-Sortiment sortieren. In den ersten beiden Jahren gab es zwei 320-Vierzylinder, einen mit Vergaser, einen mit einer K-Jetronic-Einspritzung von Bosch. Ab 1977 wurden beide durch einen Sechszylinder mit Vergaser ersetzt, der sich prächtig verkaufte. Dieser kleine Sechszylinder mit zwei Litern Hubraum und 90 kW erreicht nicht ganz die Fahrleistungen eines 323i, der 105 kW leistet. Den 320 begleitet hartnäckig die gemeine Bezeichnung "Luftpumpe", und ganz falsch ist diese Einschätzung nicht. Erst ab rund 4500/min kommt fühlbar Leben in die Beschleunigung, darunter tut sich nicht viel. Eines der beiden feiner abgestuften, damals optionalen Fünfgang-Getriebe hilft, den passenden Drehzahlbereich zu finden. Wer sich den 320 mit der Dreigang-Automatik gönnt, muss mit dem gehobenen Dynamikanspruch, der der Marke immer wieder nachgesagt wird, wirklich überhaupt nichts am Hut haben.
BMW 320/6 (E21) Exterieur (5 Bilder)

Martin Franz
)Doch Fahrleistungen sollten den Reiz, einen Oldtimer zu bewegen, nur sekundär streifen. Ob 320 oder 323i: Was damals, bezogen auf die Beschleunigung, rasant erschien, wird heute von jedem Basis-VW-ID.3 in den Schatten gestellt – objektiv und erst recht subjektiv. Für die Verhältnisse, in die beide Sechszylinder geboren wurden, waren das schnelle Autos. Doch das ist fast 50 Jahre her, und die Maßstäbe haben sich gewaltig verschoben. Ein 320 bleibt im Standardsprint rund eine Sekunde hinter dem 323i zurück, doch das ist weniger wichtig als 1977. Kein E21-Interessent sollte erwarten, heute mit überlegenen Fahrleistungen antreten zu können – eine Einschätzung, an der auch die Alpina-Ableger nichts ändern.
Ein 320-Sechszylinder bringt unter diesen Bedingungen ein paar Vorteile mit. Seine Laufkultur ist mindestens so gut wie die des Topmodells, einige Fahrer sehen den samtigen Zweiliter diesbezüglich gar leicht im Vorteil. Sein vibrationsarmer Lauf und sein angenehmes Timbre begeistern Motorenfans noch immer. Zudem ist, wie schon im Dreier-Vorgänger Null-Zwo, die Wartung einfacher. Ein 2002 mit 74 kW hatte einen Vergaser, ein 2002 tii mit 96 kW eine Kugelfischer-Einspritzanlage. Eine solche Anlage einzustellen, ist alles andere als trivial und ein Fall für Experten. Im E21 sind die Unterschiede geringer, doch auch hier gilt: Eine Fachkraft für den Vergaser des 320 zu finden, ist zumindest etwas einfacher als für die K-Jetronic im 323i. Der Solex-Vergaser hat dabei durchaus auch seine Tücken. Wer beim Wechsel der zwei Dichtungen die drei Gehäuseteile nicht gleichmäßig und mit exaktem Drehmoment wieder verschraubt, riskiert ein verzogenes Gehäuse. Den Vergaser bekommt man dann nur noch im Ausnahmefall wieder dicht.
BMW 320/6 (E21) Motor (3 Bilder)

Martin Franz
)Eine weitere Kehrseite des kleinen Sechszylinders gibt es, und sie soll nicht verschwiegen sein. Der 320 verbraucht tendenziell noch etwas mehr Sprit als der 323i, und der Unterschied wird größer, wenn der Zweiliter engagiert an die Hand genommen wird. Es ist möglich, beide mit weniger als 10 Liter/100 km zu fahren, doch schon milde Ansprüche an Fahrleistungen lassen den Verbrauch auf mehr als 12 Liter schnellen. Wer den kleinen Dreier von der Kette lässt, erntet mehr als 14 Liter Verbrauch. Beide sind auf Kraftstoff mit 98 Oktan angewiesen, "Super Plus" heißt dieser Sprit, seit es dank Marketing kein "Normal" mehr gibt.
Worauf achten?
Feind Nummer eins ist Rost, weil auch BMW damals nur sparsam konservierte und in der Jugendzeit des E21 winterliche Straßen großzügiger mit Salz bedacht wurden als heute. Kein Teil ragt dabei signifikant positiv heraus, der Interessent muss sich den Kandidaten rundherum ansehen – am besten auf einer Bühne. Schweller, Unterboden, Endspitzen, Kotflügel, Radläufe, Frontmaske, Türen und die nur aufwendig zu sanierenden Scheibenrahmen sollten sorgfältig geprüft werden. Teile der Innenausstattung, darunter die oftmals im Alter rissigen Armaturenbretter, und auch einige Gummis sind mitunter schwer zu beschaffen. Bei BMW selbst ist vieles zu bekommen, doch das ist teilweise sehr kostspielig.
BMW 320/6 (E21) Innenraum (5 Bilder)

Martin Franz
)Auch beim Antrieb gibt es ein paar Baustellen. Bläuliche Wolken aus dem Auspuff deuten auf verschlissene Ventilschaftdichtungen hin – günstigenfalls. Hat der Vorbesitzer die Sechszylinder nicht ordentlich warmgefahren oder ihnen dauerhaft hohe Last abverlangt, kann auch der Zylinderkopf gerissen sein. Alternativ können auch die Ölabstreifringe der Kolben hinüber sein. Öl und Kühlwasser sollten auf Spuren der jeweils anderen Substanz hin gecheckt werden. Empfehlenswert ist es auch, die Teppiche im Fußraum abzutasten. Ist da etwas feucht, kann der Wärmetauscher für die Heizung undicht sein – keine schöne Reparatur, kann ich Ihnen sagen, zumal Feuchtigkeit im Verborgenen immer wieder für böse Überraschungen gut ist.
Der Zahnriemen ist im Sechszylinder kein solch schwerwiegendes Drama wie im 1987 vorgestellten Vierzylinder M40. Er hat eine automatische Spannrolle und sollte alle 60.000 Kilometer oder nach vier Jahren gewechselt werden. Wer dafür einmal alles zerlegt hat, kann sich überlegen, ob er die Wasserpumpe auch gleich mit tauscht. Auch sie wird über den Zahnriemen angetrieben. Anfällig ist der Viskolüfter, dessen Prinzip eigentlich schlau gedacht war. Mit zunehmender Temperatur verhärtet sich die Flüssigkeit in der Kupplung und das Lüfterrad hinter dem Kühler dreht sich schneller. Leider werden die Viskolüfter-Kupplungen schnell undicht, was einige Besitzer veranlasst hat, auf elektrische Lüfter umzurüsten.
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Die Marktlage
Wer sich auf die Suche nach einem E21 macht, sollte den Zustand priorisieren, nicht den Antrieb. Ein 323i ist in der Regel ein gutes Stück teurer als ein 320 in vergleichbarem Zustand, weil die meisten Interessenten eben das Topmodell haben wollen. Der Markt teilt sich, wie bei so vielen alten Autos, dreiteilig auf. Es gibt Schrott, hübsch geschminkten Schrott und Exemplare in ordentlichem Zustand. Unter 10. bis 12.000 Euro wird man nur im absoluten Ausnahmefall einen E21-Sechszylinder der dritten Kategorie finden. Für rund 15.000 Euro sollte sich mit etwas Aufwand ein Fahrzeug auftreiben lassen, in das nicht direkt nach dem Kauf ein paar Tausender investiert werden müssen. Allerspätestens ab 20.000 Euro muss ein E21 aktuell schon in wirklich außergewöhnlich gutem Zustand sein.
Ein paar Dinge lege ich jedem Interessenten eines Oldtimers ans Herz: Lesen Sie sich vor der Besichtigung in die Schwächen des Modells ein. Nehmen Sie jemanden mit, der sich ebenfalls auskennt, dem Kauf aber neutral gegenübersteht. Das beste Exemplar in Ihrem Budget ist in der Regel günstiger als eine anschließende Sanierung. Und schließlich: Lassen Sie sich in jedem Fall einen großzügigen finanziellen Puffer für Reparaturen. All das freilich ist nicht E21-spezifisch, sondern bei jedem Oldtimer eine Grundlage dafür, längerfristig Freude am Altblech-Fahren zu haben.
(mfz)