Open-Source-Software Asterisk wirbelt Telefonmarkt durcheinander

Die frei verfügbare Telekommunikations-Applikation macht den Herstellern proprietärer Telefonanlagen verstärkt Konkurrenz und kann mit Innovationen wie einem verbesserten Datentransport oder Funktionen zur Umgebungserkennung aufwarten.

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Die frei verfügbare Telekommunikations-Software Asterisk setzt den Herstellern proprietärer Telefonanlagen verstärkt zu. "Den Verkäufern von Telefonsystemen verschafft Asterisk viele ungewohnte Freiheiten und Raum für Eigenentwicklungen", erklärte Marc Spencer von Digium am gestrigen Samstag auf dem Free and Open Source Software Developers' European Meeting (FOSDEM) in Brüssel. Das US-Unternehmen agiert als Projektträger der Programm-Suite. So könnten Systemintegratoren etwa bei der grafischen Nutzerschnittstelle oder bei der verwendeten Hardware eigene Wege gehen, sagte Spencer. Gleichzeitig beschleunige Asterisk die Geschwindigkeit im Markt und erlaube es kleinen Firmen, einfacher dort Fuß zu fassen.

Asterisk ist eine Telefonanlagen-Software und eine Plattform für die Anpassung gängiger Telefon-Applikationen an spezielle Bedürfnisse. Sie bringt zum einen gängige digitale Anruf-Funktionen wie das Management zahlreicher Nebenstellen, Weiterschaltung, Warteschleife oder Nummernerkennung mit sich. Dabei beherrscht sie zum einen gängige "klassische" Protokolle wie T1 oder Loopstar, zum anderen neue wie die zunehmende Zahl an VoIP-Protokollen (Voice over IP). Spencer bezeichnete Asterisk, das unter der GNU GPL sowie über eine kommerzielle Lizenz ähnlich der von MySQL erhältlich ist, als "Apache für die Telefonie". Insgesamt gehe es dabei aber nicht nur um den Aufeinanderprall von Open-Source und proprietärer Software. Vielmehr stehe Asterisk auch im Zentrum des allgemeinen Umbruchs des Telefonmarktes weg von analogen hin zu digitalen Lösungen, vom leitungsgebundenen Schalten zur Internet-Telefonie, von einem zentralisierten Ansatz zu Peer-2-Peer sowie von der reinen Datenübertragung zum Transfer konvergierender Medienströme.

Die Architektur von Asterisk macht es kommerziellen Anwendern der Software laut Spencer einfach, etwa mit dem Aufbau von VoIP-Gateways, dem eigenen IAX-Protokoll, über Webserver mit Funktionen für Anrufbeantworter, Konferenzschaltungen oder Kontaktcentern mit proprietären Systemen zu konkurrieren. Die Asterisk-Platformen seien zudem mit eigenen Zusätzen schier beliebig zu erweitern. Einer der Entwickler der freien Telefonsoftware habe sich etwa eine Routine eingerichtet, die jeden Anruf der Ex-Freundin automatisch an den Anrufbeantworter schickt.

Den oft vorgebrachten Vorwurf, dass freie Software allein Features bereits bestehender proprietärer Programme nachahme, wollte der Digium-Präsident nicht gelten lassen. So kann das Asterisk-Protokoll seinen Angaben nach Daten effizienter transportieren als herkömmliche Systeme. Pro Megabyte seien etwa dreimal so viele Anrufe übertragbar, schätzt Spencer. Zudem warte die Software mit dem "ersten echten" Service zum automatischen Erkennen von Umgebungen via Bluetooth auf, könne also zum Beispiel die Serviceleistungen ohne Eingriff des Nutzers von der Heim- auf die Büroumgebung umschalten.

Generell rechnet Spencer mit einem weiteren raschen Wachstum bei der Verbreitung von Asterisk. "Wir müssen ja auch im Telekom-Markt kein Monopol bekämpfen wie im Fall von Linux auf dem Desktop", begründete er seinen rosigen Blick in die Zukunft. Ernsthafte Hindernisse durch Patentstreitigkeiten erwartet er nicht: Einzelne Klageversuche gegen Asterisk-Nutzer durch die E-Fax-Firma j2 Global Communications bezeichnete er als lächerlich. Es gebe ausreichend Nachweise dafür, dass die entsprechenden Verfahren der Weiterleitung eines Fax an einen E-Mail-Server schon deutlich älter seien als die beanspruchte "Erfindung" von j2. Gegen Digium selbst habe es zudem noch keine Klagen oder Drohbriefe gegeben. (Stefan Krempl) / (ad)