Abgas-Betrug: Vergleiche müssen erneut verhandelt werden
Die 2021 ausgehandelten Haftungsvergleiche mit den Ex-Vorständen Winterkorn und Stadler kommen nochmals vor Gericht.
Einst war in rund der Hälfte aller in Deutschland zugelassenen Neuwagen ein Dieselmotor eingebaut. Davon sind wir inzwischen weit entfernt, und der Volkswagen-Konzern hat mit seinem Betrug dazu beigetragen.
(Bild: Pillau)
- Martin Franz
- mit Material der dpa
Eigentlich schien zumindest dieser Teil des Betrugs juristisch erledigt: Auf einer VW-Hauptversammlung stimmte eine Mehrheit vor vier Jahren Haftungsvergleichen mit den Vorständen Martin Winterkorn und Rupert Stadler zu. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss dieser Rechtsstreit jedoch nun erneut verhandelt werden. Damit muss sich das Oberlandesgericht (OLG) Celle nochmals mit diesen Vergleichen im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal beschäftigen.
Volkswagen hatte im Juni 2021 mit den Ex-Vorständen Haftungsvergleiche über mögliche Schadensersatzansprüche sowie darauf bezogene Deckungsvergleiche mit sogenannten D&O-Versicherern geschlossen. Diese "Directors-and-Officers"-Versicherungen können Unternehmen für ihre Führungskräfte abschließen und sie damit vor Haftungsansprüchen schützen. Die Gesamtsumme belief sich auf gut 288 Millionen Euro. Winterkorn selbst zahlte 11,2 Millionen Euro, Ex-Audi-Chef Stadler 4,18 Millionen Euro.
Beschlüsse nichtig?
Die VW-Hauptversammlung stimmte diesen Vergleichen im Juli 2021 mit großer Mehrheit zu. Doch Kapitalanlegerschutzvereinigungen hielten die Beschlüsse für nichtig und zogen vor Gericht. Das Landgericht Hannover wies ihre Klage zunächst ab, und auch das OLG Celle wies die dagegen eingelegte Berufung zurück. Die Kläger legten Revision ein, sodass der Fall am obersten deutschen Zivilgericht in Karlsruhe landete. (Az. II ZR 154/23)
Die Revision hatte jetzt in wesentlichen Punkten Erfolg, wie der BGH mitteilte. Der Beschluss über die Zustimmung zum Deckungsvergleich mit den D&O-Versicherern sei wegen eines Gesetzesverstoßes nichtig. Das Gericht kritisierte unter anderem, dass bestimmte Angaben in der Tagesordnung bei Einberufung der Hauptversammlung gefehlt hätten. In Bezug auf die Haftungsvergleiche mit den ehemaligen Vorständen wurde das Verfahren ans OLG zurückverwiesen.
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Volkswagen: Vereinbarungen erneut abzuschließen
Die Volkswagen AG sei mit den anderen Parteien der Vergleichsvereinbarungen zu den möglichen Folgen des BGH-Urteils und daraus resultierenden nächsten Schritten in Gesprächen, teilte ein Sprecher des Autoherstellers mit. "Vorsorglich ist insbesondere mit den Versicherern vereinbart worden, dass etwaige Rückforderungsansprüche vorerst nicht geltend gemacht werden und dass die Gespräche nach Analyse des nun vorliegenden Urteils fortgesetzt werden." Mit Blick auf die Haftungsvergleiche mit den ehemaligen Vorständen habe der BGH den Inhalt der Vergleiche nicht beanstandet. Nach Einschätzung von Volkswagen treffen die maßgeblichen Gründe, die 2021 für den Abschluss der Vergleiche sprachen, auch heute noch zu. "Absicht von Volkswagen ist es, die 2021 getroffenen Vereinbarungen erneut abzuschließen", sagte der Sprecher.
(mfz)