Klagewelle gegen US-Blogger wegen Copyright-Verletzungen

Die US-Firma Righthaven hat innerhalb weniger Wochen rund 100 Betreiber von Online-Journalen und Nachrichten-Linkseiten vor Gericht zitiert, nachdem diese Zeitungsartikel auf ihren Web-Angeboten wiedergegeben hatten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 192 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von

Die US-Firma Righthaven hat innerhalb weniger Wochen über 100 Betreiber von Blogs und Nachrichten-Linkseiten verklagt, nachdem diese Zeitungsartikel auf ihren Webangeboten wiedergegeben hatten. Zum Teil erhielten auch Forenbetreiber Post vom Gericht, weil ihre Nutzer Meldungen aus Online-Zeitungen auf die eigenen Kommunikationsplattformen posteten. Das Vorgehen der Righthaven-Anwälte hat inzwischen eine neue Debatte über Abmahnwellen durch "Copyright-Trolle" und die Reichweite der "Fair Use"-Bestimmungen im Urheberrecht US-amerikanischer Prägung ausgelöst, die Nutzern im Interesse des Allgemeinwohls bestimmte Freiheiten im Umgang mit geschütztem Material geben.

Konkret kauft das in Las Vegas beheimatete Unternehmen das Copyright an Zeitungsinhalten auf, um dann vor Gericht auf Abschreckung zielende Schadensersatzforderungen in Höhe von rund 75.000 US-Dollar von Bloggern oder "News-Aggregatoren" einzufordern, die den entsprechenden Content ohne Lizenz online weiterverbreiten. Righthaven hat derzeit laut Berichten des Online-Magazins "Wired" zwei große Kunden: Das Medienhaus Stephens Media, das unter anderem das "Las Vegas Review-Journal" herausgibt, sowie WEHCO Media in Arkansas. Man stehe auch vor dem Abschluss von Verträgen mit "einer nicht unerheblichen Zahl anderer Verleger", erklärte Righthaven-Chef Steve Gibson. Er begründet den Klageansatz damit, dass das Copyright das wichtigste Gut von Medienfirmen sei. Dessen Wert liege nicht nur darin, über Werbung Umsätze zu machen. Man reiche daher täglich neue Beschwerden bei Gerichten ein, um die "millionenfachen" Copyright-Verletzungen im Netz zu stoppen.

Zu den von den Klagen Betroffenen gehören Informations- und Community-Angebote mit teils nutzergenerierten Inhalten wie bikernews.net oder AboveTopSecret.com genauso wie Aufklärungs- und Aktionsseiten über Windenergie oder medizinische Online-Foren wie EMT City. Selbst über Aggregatoren eingespielte Links soll Righthaven bereits als Anlass zum juristischen Einschreiten genommen haben.

Zahlreiche Fälle listet die "Las Vegas Sun" in einem aktuellen Beitrag über die Refinanzierungsversuche der Konkurrenz auf. Viele der Angeschriebenen scheuen demnach hohe Anwalts- und Gerichtskosten und gehen auf Vergleichsangebote ein, für die Righthaven mehrere tausend US-Dollar kassiert. Einige sehen sich aber im Recht aufgrund der Schrankenbestimmungen im Copyright Act beziehungsweise sind der Ansicht, dass die Firma zunächst im Einklang mit dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA) mildere Mittel wie einen Hinweis auf eine mögliche Rechtsverletzung anwenden müsste oder allenfalls eine Unterlassungserklärung verlangen könnte. Sie wollen die Grenzen zwischen legitimem Zitat und rechtswidrigem Plagiat nun ausloten lassen.

Die Electronic Frontier Foundation (EFF) hat mittlerweile ausgewählten Beklagten rechtliche Hilfe angeboten. Die US-Bürgerrechtsorganisation geht davon aus, dass hinter der Praxis Righthavens eine ähnliche Masche steckt wie hinter den Abmahn- und Klagewellen der Recording Industry Association of America (RIAA) oder der sogenannten Copyright Group gegen Tauschbörsennutzer. Sie sieht mit dem Vorstoß im Namen von Verlegern die Grundlage ernsthafter Online-Debatten in Gefahr, da diese vom Anführen von Originalquellen lebten, die wiederum Kommentare und Erwiderungen herausforderten. Das richtige Zitieren sei eine "Tugend" von Diskussionen im Internet, die Falschdarstellungen verhindern helfe. Weiter moniert die EFF, dass Righthaven vor Gericht sogar das Einfrieren der Webdomains von Beklagten verlange und sie damit ihrer virtuellen Heimstätte berauben wolle.

Hierzulande blicken Blogger vor allem in Hinsicht auf das geplante Leistungsschutzrecht für Zeitungs- und Zeitschriftenverleger besorgt über den Atlantik. Der erweiterte Schutz von Presseerzeugnissen im Internet soll laut Branchenverbänden auch Überschriften, Sätze und Satzteile umfassen, soweit sie "einer systematischen Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe" in Verbindung mit dem Titel einer Zeitung oder einer Illustrierten dienten. Bestehende Ausnahmeregelungen im Urheberrecht wie die Zitierfreiheit wollen die Verleger zwar unangetastet wissen. Trotzdem geben die Righthaven-Klagen laut Skeptikern bereits einen Vorgeschmack auf potenzielles Futter auch für hiesige Abmahnanwälte. (vza)