Autoindustrie: "Ziele beim Flottenverbrauch nicht mehr erreichbar"
Europas Autoindustrie sieht die Chance gekommen, ein Ende des Verbrenners in Neuwagen noch einmal aufzuschieben. Kritik folgt umgehend.
(Bild: Franz)
- Martin Franz
- mit Material der dpa
Vor drei Jahren wurde nach zähen Verhandlungen beschlossen, den Flottengrenzwert für Neuwagen massiv zu beschränken. Ab 2030 liegt er – Stand heute – im Schnitt bei knapp 50 Gramm CO₂/km, ab 2034 bei null Gramm CO₂. Der Beschluss ist technologieoffen. Wie die Industrie die Vorgaben technisch erfüllt, bleibt ihr überlassen. Kritik aus der Industrie an den Plänen gab es von Anfang an. Nun sieht der einflussreiche Autolobbyverband Acea die Chance, die Regelung noch zu kippen.
Acea: EU-Klimavorgaben deutlich verändern
Der Acea stellt sich gegen das für 2035 geplante, sogenannte Verbrenner-Aus. "Wir halten die Ziele für 2035 und auch für 2030 für nicht mehr erreichbar", sagte Acea-Generaldirektorin Sigrid De Vries vor Journalisten in Brüssel. Ihr Verband setzt sich bei einer derzeit laufenden Überprüfung der EU-Klimavorgaben für Autos für deutliche Änderungen ein. In einem rund 20-seitigen Positionspapier dringt der Verband unter anderem darauf, die "starren" EU-Vorgaben aufzuweichen und Technologien wie Plug-in-Hybriden und E-Fuels einen größeren Raum zu geben.
Wettbewerbsfähigkeit der Branche
Die Acea-Vorschläge stoßen bei der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) auf deutliche Kritik. Industrievertreter drängen darauf, die Klimaschutzvorgaben "in einen Schweizer Käse zu verwandeln", so Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland. Der Bundesregierung müsse klar werden, dass dies zwar kurzfristige Profite sichere, aber langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zunichtemache. Die Acea-Vorschläge zum Betreiben von Autos mit sogenannten klimaneutralen Kraftstoffen könnten nach Berechnungen von T&E den Anteil der E-Auto-Verkäufe bis 2035 um 25 Prozent senken. Alle Forderungen zusammengenommen bedeuteten, dass bis 2035 nur ein Marktanteil von gut 52 Prozent E-Autos nötig sei. Acea-Generaldirektorin De Vries sieht in dieser T&E-Analyse eine verfrühte Beurteilung.
Die 2022 getroffene Entscheidung der EU besagt, dass Neuwagen ab 2035 im Betrieb kein CO₂ mehr ausstoßen dürfen. Die auch als "Verbrenner-Aus" bezeichnete Entscheidung hätte zur Folge, dass Neuwagen mit Verbrennungsmotor nicht mehr zugelassen werden dürften. Damals ging man noch davon aus, dass die Verkaufszahlen von E-Autos schneller steigen, als sie das aktuell tun. Wichtig: Der Bestand an Fahrzeugen ist nicht in der Diskussion. Sie werden auch nach 2034 wie bisher mit konventionellem Kraftstoff betrieben werden können.
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Deutsches Gewicht in der EU
Die EU-Kommission hatte bereits im März 2025 angekündigt, das 2035-Ziel noch in diesem Jahr überprüfen zu wollen. Viele in Brüssel erwarten, dass die Kommission bis Jahresende einen konkreten Änderungsvorschlag präsentieren wird. Welche Chance der hat, in der Kommission eine Mehrheit zu finden, ist ungewiss. Eine mögliche Kehrtwende der deutschen Bundesregierung in dieser Frage wird aber ein großes Gewicht zugemessen.
Kontroverse Diskussion
Derweil wird die Diskussion um das beschlossene Ende des Verbrenners in Neuwagen kontrovers diskutiert. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Armand Zorn, warnte vor einer Rolle rückwärts bei den Vorgaben: "Wer den Ausstieg aus dem fossilen Verbrenner infrage stellt, mag kurzfristig Beifall erhalten, gefährdet aber die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und verunsichert die Wirtschaft." Audi-Chef Gernot Döllner: "Ich kenne keine bessere Technik als das Elektroauto, um in den nächsten Jahren bei der CO₂-Reduzierung im Verkehr voranzukommen. Aber auch abgesehen vom Klimaschutz ist das Elektroauto einfach die bessere Technologie." Noch deutlicher wird Prof. Ferdinand Dudenhöffer, der meint, die Diskussion zerstöre den Automarkt. Das koste die Hersteller "richtig viel Geld". Der Begriff "Eigentor" sei eine "höfliche Umschreibung".
Das sehen andere grundlegend anders. Diese "CO₂-Regulierung der EU mit dem ab 2035 geplanten Verbot von Verbrennern in erstmals zugelassenen Autos werde keinen Bestand haben", glaubt BMW-Chef Oliver Zipse. Das derzeitige System sei ein Desaster. Es zerstöre die Industrie und ihre Fähigkeit, in neue Technologien zu investieren. Auch der Verband der deutschen Autoindustrie (VDA) macht sich seit Langem dafür stark, von einem festgeschriebenen Ausstiegsdatum abzusehen. Ola Källenius, Mercedes-CEO, plädiert ebenfalls dafür, das Aus ab 2035 stoppen.
(mfz)