Kommentar: KI-Blase platzt – ja bitte!
Obwohl der Crash die Aufbläher der KI-Aktienblase nicht am härtesten treffen wird, muss die Bubble endlich platzen. Ein Kommentar. von Philipp Steevens.
(Bild: Artit Wongpradu/Shutterstock.com)
Sam Altman, Mark Zuckerberg, Satya Nadella und jüngst auch Pat Gelsinger – die Chefs von großen Unternehmen, die uns seit drei Jahren von der Unübertreffbarkeit und Notwendigkeit ihrer KI-Anwendungen erzählen, warnen jetzt vor einer Aktienblase. Kritische Marktbeobachter warnen schon deutlich länger. Die Bubble besteht aus der Überbewertung von Firmen, die generative KI-Modelle oder damit verbundene Dienstleistungen anbieten. Denn Firmen, die irgendwas mit KI machen, konnten in den letzten Jahren relativ leicht millionen- bis milliardenschwere Finanzierungsrunden einfahren. Geld verdienen sie damit nicht.
Zahlen sagen mehr als Werbeversprechen
Wirft man einen Blick auf den Aktienindex der 500 wertvollsten US-Firmen, begrĂĽĂźen einen Nvidia, Microsoft, Apple, Alphabet, Amazon und Meta. Allein diese Top 6 machen mit einem Aktienwert von 19 Billionen US-Dollar ein Drittel der Gesamtbewertung des S&P 500 aus. Der Spitzenreiter Nvidia allein ist ein Viertel der Aktien der Top 6 wert. Doch woher kommt der Umsatz dieser schwindelerregend hoch bewerteten Konzerne? Laut einem Bericht von Yahoo Finance tragen Microsoft, Amazon, Meta und Alphabet 40 Prozent von Nvidias aktuellem Umsatz bei. Microsoft investiert auch stark in OpenAI, die das Geld dann im Grunde fĂĽr Rechenleistung an Microsoft zurĂĽckzahlen. Solche Investitions-ZirkelschlĂĽsse finden sich an vielen Stellen im Ă–kosystem der generativen KI.
Derweil will Oracle die nächsten fünf Jahre insgesamt 300 Milliarden US-Dollar in Recheninfrastruktur für KI-Workloads von OpenAI investieren. Das von OpenAI-CEO Sam Altman ausgerufene Projekt Stargate für den Zubau von absurder Rechenleistung beeinflusst auch die EU, die etwa 200 Milliarden Euro für Rechenzentren ausgeben will. Dabei ist zweifelhaft, ob pures Skalieren der Rechenleistung wirklich den Durchbruch bei den auf Tröpfchen ausgedörrten Modellfortschritten bringt. Außerdem relativieren Qualitätsprobleme und fehlende Kapitalerträge der Dienste den Erfolg der Technik. Eindeutige Zeichen für die finanzielle Blase der generativen KI, die mit der heißen Luft hochtrabender Versprechen aus Marketing- und Chefabteilungen der Anbieter gefüllt ist und von der Politik dies- und jenseits des Atlantiks gründlich angeheizt wird.
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Wer platzt?
Wenn nun die Blase aus überbewerteten Aktien platzt und Risikokapitalgeber weniger Lust verspüren, den Kohleofen der KI-Start-ups weiter mit Geld zu befeuern, wird es die Riesen im S&P 500 sicherlich nicht am härtesten treffen. Vielmehr wird es die spezialisierten Unternehmen treffen, vielleicht sogar OpenAI und Anthropic, die ihre Modelle in vielen Plattformen und Apps verankern konnten. Gehen hier die Server aus, so sind die Frontends der proprietären LLM-Chatbots und ihre Modell-APIs erst mal nutzlos. Der wirtschaftliche Fallout durch den Zusammenbruch des überbewerteten Aktienmarkts wird sich aber in vielen Branchen bemerkbar machen.
Technisch am härtesten trifft es hingegen diejenigen Unternehmen, die aufgrund des KI-Hypes endlich mit ihrer Digitalisierung in die Puschen gekommen sind. Hier steht zu befürchten, dass Transformationsprojekte aus Angst oder aufgrund des Wegbrechens von Partnern und Schnittstellen auf der Strecke bleiben. Dabei könnten viele halbtransformiert mit Übergangslösungen stranden, die schlechter sind als der Ursprungszustand. Dort hätte die GenAI-Bubble dann für eine Abnahme der Effizienz gesorgt.
Was bleibt?
Was mit oder ohne Crash auf jeden Fall bleibt, sind die Modelle selbst. Insbesondere die kleineren Varianten der LLMs und die semioffenen und Open-Source-Modelle. Gerade bei den offenen Modellen sind die chinesischen Anbieter führend, die weniger an einer Überbewertung, sondern eher an Importbeschränkungen für Nvidia-GPUs knabbern. Und auch die Nachteile generativer KI werden bleiben, namentlich das Verbreiten von Falschinformationen, geschmackloser AI-Slop und die weit offenen Türen für Deepfakes und Betrugsmaschen jeder Couleur.
Dennoch ist das Platzen der Blase zu befürworten, wenn der Welt dadurch eine Menge halbgare Apps ohne einen Gedanken an Security erspart bleiben. Für die Umwelt wäre es eh gut, da die EU dann kein Geld mehr in Superrechenzentren ohne Business Case investieren würde, die Stand jetzt vor allem auf fossile Energie setzen würden. Womöglich wäre es auch gut für Unternehmen, die jetzt aus Hype-Druck auf Krampf irgendwas mit KI machen. Und dank der geplatzten Blase dann einem weiteren Vendor Lock-in entgehen. Die liegen gebliebenen Übergangslösungen müssen dann Menschen zu Ende bringen.
Dieser Kommentar ist das Editorial der iX 11/2025, die am 24. Oktober 2025 erscheint.
(pst)