"Windows N": XP ohne Mediaplayer ab Juli im Handel

Die Free Software Foundation Europe wirft Microsoft vor, mit den Vorschlägen zur Offenlegung der Schnittstellen- und Protokollspezifikationen den guten Willen der EU-Wettbewerbskommissarin zu missbrauchen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Bereits im Januar wurden erste Versionen von Windows XP, die ohne Media Player den Auflagen der EU-Kommission entsprechen sollten, an PC-Hersteller ausgeliefert. Nun kündigte Microsoft an, dass neue Ausgaben von Windows XP Home und Windows XP Professional mit dem Namenszusatz "N" ab dem 15. Juni an die Hersteller zur Vorinstallation auf PCs ausgeliefert würden, die alle Bedenken der EU-Kommission bezüglich der Einhaltung der Auflagen ausräumen sollen.

Im normalen Handel sollen die Versionen ab dem 1. Juli verfügbar sein. Die Edition N wird dabei anfangs in Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch ausgeliefert. Landesversionen für Tschechisch, Dänisch, Niederländisch, Finnisch, Griechisch, Ungarisch, Norwegisch, Polnisch, Portugiesisch und Schwedisch würden am 1. Juli an die PC-Hersteller und am 15. Juli an die Händler ausgeliefert. Der EU-Kommission habe man Installations-CDs sowohl mit Windows XP Home Edition N als auch mit Windows XP Professional Edition N bereits Anfang vergangener Woche zukommen lassen.

Damit will Microsoft zumindest die Auflagen einhalten, was die Windows-Version ohne Media Player angeht: Außer auf den Namen der XP-Ausgabe ohne Media Player einigte man sich darauf, einige Dateitypen in der Windows-Registry als "requested by RealNetworks" auszuweisen, keine Musik-Samples mehr im Ordner "Meine Musik" anzubieten und den Zugang zum Windows Movie Maker zu beseitigen. Über die Einhaltung der Auflage, die Schnittstellenspezifikation zur Serverkommunikation offen zu legen, sind die Zwistigkeiten zwischen Kommission und Microsoft noch nicht endgültig ausgeräumt: Die EU-Kommission prüft gerade die Vorschläge des Konzerns.

Microsoft hatte die Vorschläge zu den Wettbewerbsauflagen gerade noch rechtzeitig vor Ablauf eines Ultimatums der EU-Kommission in der vergangenen Woche eingereicht. Im März 2004 hatte die EU-Kommission den Softwarekonzern wegen Marktmissbrauchs mit einem Rekordbußgeld von 497,2 Millionen Euro bestraft und zudem die Veröffentlichung der Schnittstellenspezifikationen für die Server-Kommunikation und die Bereitstellung einer Windows-Version ohne integrierten Medienplayer verfügt. Über den Beschluss der Wettbewerbshüter steht zwar noch das von Microsoft angestrengte Hauptsacheverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Erster Instanz an, die verhängten Auflagen jedoch hatte der Präsident des EU-Gerichts bestätigt. Microsoft scheiterte mit einem Antrag, die Sanktionen bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren auszusetzen.

Gegenüber Open-Source-Lizenzen will sich Microsoft allerdings auch bei Offenlegung der Protokoll- und Schnittstellenspezifikationen abschotten: Es solle sichergestellt werden, dass offen gelegte Microsoft-Technik einer gesonderten Lizenzvereinbarung unterliegt. "Microsoft vertrat die Auffassung, dass der von Empfängern der Interoperabilitätsangaben entwickelte Softwarequellcode, mit dem die Microsoft-Protokolle umgesetzt werden, nicht unter einer so genannten quelloffenen Lizenz veröffentlicht werden dürften", hieß es dazu von der Kommission, die noch keine endgültige Stellungnahme zu den Microsoft-Vorschlägen vorgelegt hat. Die Free Software Foundation Europe (FSFE) wirft Microsoft allerdings genau wegen dieser Ansichten vor, den "guten Willen" der EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes zu missbrauchen. Da die Vorschläge Microsofts verhindern, dass die veröffentlichten Informationen in Implementationen freier Software wie dem Druck- und Dateiserver Samba genutzt würden, erklärte Georg Greve, Präsident der FSFE: "Da Samba der einzige verbliebene große Konkurrent von Microsoft in diesem Markt ist, heißt der Microsoft-Vorschlag übersetzt: Natürlich geben wir Ihnen die Spezifikationen -- solange Sie nicht ein ernsthafter Konkurrent für uns sind." (jk)