CO₂-Flottenbilanz 2025: Welcher Autohersteller nachlegen muss
Etliche Herstellerpools befinden sich im Zielkorridor für die Abrechnungsperiode 2025 bis 2027. Nur Volkswagen verfehlt die Zielmarke deutlich
Fluch der guten Verkaufszahlen: Auch bei Volkswagen dominieren Verbrenner den Verkauf. Doch der Konzern hat keine Wahl. Ohne einen gesteigerten Absatz von Elektroautos sind die Ziele beim Flottenverbrauch nicht zu schaffen.
(Bild: Florian Pillau / heise Medien)
- Christoph M. Schwarzer
In der Bibel ist Tohuwabohu der chaotische Urzustand der Welt. Gott habe das Chaos mit der Schöpfung geordnet, ist dort nachzulesen. Betrachten wir die deutsche und europäische Debatte zu den CO₂-Flottengrenzwerten, ist dieser Prozess nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Eine Vielzahl politischer Positionen bildet eine Kakofonie. Wo aber steht die Autoindustrie wirklich bei der Reduktion der CO₂-Emissionen und welche Veränderungen in der Gesetzgebung werden diskutiert?
Ausgangspunkte ist der CO₂-Flottenmechanismus: Die Europäische Union hat mit der – übrigens konservativen – Mehrheit in Parlament und Rat beschlossen, dass der Durchschnitt der tatsächlich in einem Kalenderjahr im Europäischen Wirtschaftsraum neu zugelassenen Pkw die Berechnungsgrundlage ist. Wie hoch der CO₂-Wert des eigenen Autos in Gramm pro Kilometer ist, können Halter unter Position V.7 im Fahrzeugschein sehen. Elektroautos stoßen auf dem Prüfstand null Gramm aus und sind bilanziell attraktiv.
Bisher kein Cent Strafe
In der ersten Abrechnungsperiode von 2021 bis 2024 durfte die Flotte im Durchschnitt der Hersteller im Schnitt nicht über 95 g/km liegen. Jeder Hersteller bekam dabei einen eigenen Grenzwert, der sich nach dem Durchschnittsgewicht der verkauften Autos richtete. Dieser Wert ist nach dem abgeschafften "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) angegeben; in der heutigen "Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure" (WLTP) sind die umgerechneten Zahlen deutlich höher.
(Bild: ICCT)
Bei der Überschreitung des Limits müssen pro Gramm und im Bezugsjahr in der EU verkauftem Fahrzeug 95 Euro Strafe gezahlt werden. Hier könnten bei einem Massenhersteller wie Volkswagen leicht mehrere 100 Millionen Euro zusammenkommen. Bisher musste allerdings niemand auch nur einen Cent zahlen. Teil des CO₂-Flottenmechanismus ist das Pooling: Hersteller dürfen sich in der Bilanzierung beliebig zusammentun. Wenn zwischen den Unternehmen Geld fließt, befürwortet die EU das, weil Vorreiter wirtschaftlich belohnt und Nachzügler bestraft werden.
Flexibilisierung für die Jahre 2025 bis 2027
In der aktuellen Abrechnungsperiode von 2025 bis 2029 ist der Grenzwert gegenüber dem vorhergehenden Zeitraum um 15 Prozent gesunken. Eigentlich muss das Limit in jedem Jahr eingehalten werden. Als Entgegenkommen an die Interessen der Autoindustrie ist aber nach dem Vorbild von Großbritannien die sogenannte Flexibilisierung (häufig auch Englisch gebräuchlich: Averaging) eingeführt worden: Es genügt, wenn ein Hersteller in seinem Pool im Mittel der Jahre 2025 bis 2027 den Grenzwert erreicht. Das kann zum Ablauf der Abrechnungsperiode zu Abverkaufsaktionen mit hohen Nachlässen für Elektroautos führen. Zusätzlich gibt es einen Gewichtsfaktor, der sich mit der aktuellen Abrechnungsperiode umgedreht hat: Die Produzenten einer schwereren Fahrzeugflotte müssen niedrigere Grenzwerte einhalten als die von leichteren Pkw. Die Spanne reicht von 90 g CO₂/km (Volvo) bis 99 g CO₂/km (Suzuki).
Zurzeit sieben Gramm Überschreitung
Nach einer neuen Analyse des International Council on Clean Transportation (ICCT), welche die ersten drei Quartale des Jahres 2025 untersucht hat, liegt der mittlere Soll-Grenzwert nach WLTP über alle Hersteller hinweg bei 92 g CO₂/km. Wie erwähnt: Jeder Hersteller hat einen individuellen Grenzwert. Der durchschnittliche Ist-Wert der Autoindustrie beträgt 99 g CO₂/km, also sieben Gramm mehr als erlaubt. Formal wären bald Strafzahlungen fällig – wegen des Averagings passiert das nicht, und es bleibt so, falls es gelingt, das Limit im Mittel der Jahre 2025 bis 2027 einzuhalten.
(Bild: ICCT)
Auf welchem technischen Weg die Hersteller die CO₂-Flottengrenzwerte einhalten, steht ihnen frei. Toyota zum Beispiel schafft es bislang, die Vorgaben fast ohne Elektroautos zu erreichen: Der Kraftstoffverbrauch und in der Folge die CO₂-Emissionen gehen wegen des hohen Anteils der Hybridantriebe im Verkauf zurück. Trotzdem sind Elektroautos die kostengünstigste Methode, die CO₂-Werte radikal zu senken, weil sie mit null Gramm in die Bilanz eingehen. Auf diese Weise können auch Pkw mit Verbrennungsmotor und hohem Spritverbrauch mittelfristig noch verkauft werden. Zusätzlich haben Plug-in-Hybride im Regelfall mit unter 50 g CO₂/km niedrige Werte - zumindest auf dem Papier.
Nissan mit BYD sowie BMW unter Grenzwert
Zu den Ergebnissen nach einem dreiviertel Jahr 2025: Lediglich die Pools von BYD und Nissan sowie der von BMW und Mini halten ihren gewichtsbezogenen Grenzwert für 2025 bis 2027 ein. Der Zusammenschluss von Mercedes mit den Geely-Marken Volvo, Polestar und Smart ist mit zwei Gramm Abweichung nach oben nahe an einer Punktlandung. Sehr wahrscheinlich wird es diesem Verbund gelingen, ohne Strafe durchzukommen.