München und Wien für klare Begrenzung von Softwarepatenten

Die Bürgermeister fordern in einem Brief an EU-Abgeordnete Rechtssicherheit für Open Source und lehnen die Patentrichtlinie des EU-Rates ab; auch der DGB stellt sich gegen die Ministerversion.

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Am Montag soll der federführende Rechtsausschuss des EU-Parlamentes die Linie für die Plenarabstimmung über die heftig umkämpfte Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" am 6. Juli festzurren. Die Sitzung wird mit großer Spannung erwartet, da bislang die Frontlinien noch quer durch große Fraktionen wie die der christdemokratischen Volkspartei laufen und viele Fragen offen sind. Insgesamt liegen den Abgeordneten rund 260 Änderungsanträge an der nur knapp offiziell verabschiedeten Vorgabe des EU-Rates vor, die nun in einem Kompromisspapier zusammengefasst werden sollen. Während die allgemeine Lobbyschlacht um das Votum der Parlamentarier bereits seit Wochen auf vollen Touren läuft, melden sich kurz vor knapp noch einige Nachzügler zu Wort. Dazu gehören die Oberbürgermeister von München und Wien, Christian Ude und Michael Häupl. In einem offenen Brief (PDF-Datei) bringen beide ihre Besorgnis über die Ratslinie zum Ausdruck und fordern Nachbesserungen durch die Abgeordneten.

Am Herzen liegt den beiden Stadtvätern, deren Kommunen in der Umrüstung ihrer IT-Landschaften auf Open-Source-Software wie LiMux beziehungsweise Wienux langfristige Vorteile sehen, insbesondere die Unterstützung ihrer Projekte durch die mittelständische Computerwirtschaft. Sie sehen sowohl ihre möglichen Partnerunternehmen als auch ihre millionenschweren Vorhaben durch eine Flut an Trivialpatenten im Softwarebereich gefährdet und drängen daher auf Rechtssicherheit durch klarere Formulierungen in der Richtlinie. Große Bedenken haben die beiden Politiker gegenüber dem "Gemeinsamen Standpunkt" des Ministergremiums. Sie drängen vor allem auf eine klare Definition des erforderlichen technischen Beitrags einer Erfindung im Softwarebereich und Ausführungen zu Schlüsselbegriffen wie der zu gewährleistenden Interoperabilität.

"Jetzt liegt es an Ihnen, Bedenken von Leuten wie uns und vielen anderen in der 2. Lesung zu begegnen -- so wie sie es in der 1. Lesung bereits getan haben", bitten die beiden Stadtoberhäupter die Abgeordneten. Diese sollten dabei im Hinterkopf behalten, dass beim Europäischen Patentamt bereits über 30.000 Softwarepatente anhängig seien, die nur zu einem Viertel in der Hand europäischer Firmen seien und künftig einfacher durchgesetzt werden könnten bei der Verabschiedung der Ratsversion.

Der SPD-Politiker Ude mahnt zudem, dass "die Auswirkungen dieser Richtlinie alle Länder, Städte und Gemeinden betreffen ­- ebenso wie Softwareentwickler und Softwareunternehmen." Alle seien aufgefordert, sich noch rasch an ihre Abgeordneten zu wenden. Gleichzeitig übt er scharfe Kritik an Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, da diese in einem Schreiben "in elementaren Punkten" einen Bundestagsantrag missachtet habe, in denen sich auch die nationalen Volksvertreter gegen die Ratslinie ausgesprochen haben. Münchens Linux-Migration selbst kam im vergangenen Sommer kurzzeitig aus Angst vor möglichen Patentverletzungen ins Schlittern und wurde erst im Herbst nach der Einholung eines Rechtsgutachtens fortgeführt.

Einen Brief mit ähnlichem Tenor wie dem der "Linux-Städte" hat zudem der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) an EU-Parlamentarier geschickt. "Nach wie vor fordern wir die Formulierung eines eindeutigen und trennscharfen Technikbegriffs, und damit den Ausschluss von Trivialpatenten und so genannten Programmansprüchen sowie die Sicherung der Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Computersystemen", heißt es darin. Auch im Hinblick auf öffentliche finanzierte Projekte, insbesondere im Rahmen des nationalen und europäischen E-Government, könnte es andernfalls zu Problemen kommen.

Empfehlungen für den Rechtsauschuss (PDF-Datei) hat zudem die von rund 400 Mitgliedern unterstützte Initiative Unternehmer gegen Softwarepatentierung an dessen Leitungsgremium geschickt. Sie wünscht sich vor allem gemäß der Vorschläge (PDF-Datei) des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) eine "Technizitätsdefinition per Naturkräftebezug", den "Ausschluss von Programmansprüchen" sowie eine ausdrückliche Interoperabilitätslösung. Eine erneute Mahnung auch an die Bundesregierung, in Brüssel "eindeutig die Interessen" des "wachsenden und innovativen europäischen Wirtschaftszweigs" Mittelstand zu vertreten, spricht zudem der Linux-Verband aus. Probleme mit Softwarepatenten dürfen nach Ansicht der Vereinigung nicht auf die Gerichte verlagert werden.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)