Gebraucht-Software: Handel verbieten ist einfacher als Regelungen zu gestalten

Im Februar will der Bundesgerichtshof eine Entscheidung zum Thema Handel mit Gebrauchtsoftware treffen. Heise resale sprach mit Thomas Huth, Geschäftsführer von UsedSoft, dem Händler, der sich in diesem Zusammenhang mit Oracle vor Gericht trifft.

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Von
  • Marzena Sicking
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Im Februar will der Bundesgerichtshof eine Entscheidung zum Thema Handel mit Gebrauchtsoftware treffen. Heise resale sprach mit Thomas Huth, Geschäftsführer von UsedSoft, dem Händler, der sich in diesem Zusammenhang mit Oracle vor Gericht trifft.

Usedsoft-Geschäftsführer Thomas Huth

(Bild: usedSoft)

Thomas Huth: "Sicher hätte auch ich mich über eine zeitnahe Klärung dieser Frage gefreut. Viel wichtiger ist mir jedoch, dass der BGH die Verkehrsfähigkeit von Standardsoftware unabhängig vom Vertriebsweg grundsätzlich und umfassend klärt. Auf diese Weise würde es den Herstellern endlich verwehrt, die Anwender durch den Einsatz neuer Lizenzmodelle oder Vertriebswege, wie dem Online-Vertrieb oder der Vorinstallation, zu verunsichern. Sowohl die Vertagung der Entscheidung als auch die Einführung in die Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter machten deutlich, dass es dem Gericht um die Schaffung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen geht und dass dem Senat auch die wirtschaftliche Bedeutung dieser Entscheidung bewusst ist. Hier sind in der Vergangenheit durch die vollkommen unverständliche Privilegierung der Softwarehersteller durch einige Instanzgerichte die Interessen der Softwarekäufer deutlich zu kurz gekommen."

Thomas Huth: "Zunächst hat sich an der bisherigen Situation nichts verändert. Es existiert bereits ein funktionierender 'Gebraucht'-Softwaremarkt. Auch die Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hat erst kürzlich wieder bestätigt, dass der Handel mit "gebrauchter" Software grundsätzlich rechtmäßig ist. Nach unserer Erfahrung sind sich insbesondere große Marktteilnehmer der Tatsache bewusst, dass ihnen der Handel mit einmal gekauften Standardsoftwareprodukten nicht verboten werden kann. Von der anstehenden BGH-Entscheidung erwartet man sich auch im Markt lediglich die Klarstellung, dass dies auch dann ohne Zustimmung des Herstellers der Fall ist, wenn die Softwareprodukte erstmals online in Verkehr gebracht wurden."

Thomas Huth: "Die mögliche Notwendigkeit, den Nachweis für die einzelnen Übertragungsvorgänge zu führen, ist seit Gründung der usedSoft ein zentrales Thema. Unser System beinhaltet daher die Hinterlegung sämtlicher Nachweise bei einem Schweizer Notar, der diese Hinterlegung unseren Kunden gegenüber bestätigt. Im Bedarfsfall sind diese Beweismittel daher jederzeit verfügbar und auch gegen zufälligen Untergang zuverlässig geschützt.

Der Umfang der Nachweispflicht ist übrigens rechtlich nicht eindeutig geklärt. Ob zum Beispiel die Preisgabe des Ersterwerbers tatsächlich dazugehört, wird vor dem Hintergrund neuer EuGH-Rechtsprechung sehr kritisch gesehen. Die Gefahr, dass die Hersteller den Ersterwerber einfach nicht mehr weiter beliefern und so den 'Gebraucht'-Softwarehandel faktisch unterbinden, wäre zu groß. Die Nachweisproblematik besteht bei unseren Kunden daher nicht."

Thomas Huth: "Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Verantwortlich für die Problematik sind vor allem die Hersteller. Ihnen nutzt die 'nebulöse' Lage am meisten. Dabei nutzen sie aus, dass die Gesetzgebung Schwierigkeiten hat, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Sie entwickeln immer neue Lizenzmodelle, von denen sie dann jeweils behaupten, dass es sich um einen Sonderfall handele. Die Anwendung der alten Vorschriften durch die Rechtsprechung klingt dann bisweilen sehr kompliziert. Am Ende kann aus meiner Sicht daher das einzige Ergebnis sein, dass Standardsoftware als das anerkannt wird, was sie ist: nämlich ein Investitions- und Wirtschaftsgut.

Über Jahre hat sich in der Software Branche eine Praxis etabliert, die zu einer Privilegierung der Softwarehersteller geführt hat, wie ich sie aus keiner anderen Branche kenne. Auch aus dem Oracle-Plädoyer in der BGH-Verhandlung wurde sehr klar deutlich, dass es Oracle hier primär um den Schutz seiner wirtschaftlichen Pfründe geht. Obwohl die großen Softwarehersteller wie Oracle, Microsoft oder Adobe in ihren jeweiligen Gebieten ohnehin schon Monopolstellungen genießen, versuchen sie darüber hinaus noch ihre besondere Schutzwürdigkeit zu rechtfertigen. Dass sie sich damit vor Marktmechanismen schützen wollen, die für jedes andere Unternehmen in jeder anderen Branche ganz normal sind, wird auch den Richtern nicht entgangen sein"

Thomas Huth: Der Handel mit 'gebrauchter' Software könnte sehr einfach sein, wenn es den Herstellern tatsächlich nur um die Verhinderung von Missbrauch ginge. Denn den wollen wir genauso wenig! Das Missbrauchsargument ist sowieso völlig paradox. Was hindert die Nutzer denn zurzeit daran, online vertriebene Software unerlaubt zu kopieren? Warum sollte die Bereitschaft der Nutzer, sich unrechtmäßig zu verhalten, steigen, wenn der Weiterverkauf zulässig ist? An der viel beschworenen Nachweisschwierigkeit kann es jedenfalls nicht liegen. Schließlich erhält der Erwerber von online ausgelieferter Software vom Hersteller auch lediglich einen Lieferschein und eine Rechnung. Unsere Kunden bekommen identische Papiere. Verliert ein Kunde diese Nachweise, kann sich der Ersterwerber schon jetzt nur schwierig gegenüber dem Hersteller legitimieren. Das nehmen die Hersteller jedoch gerne in Kauf und steigern ihren Online-Vertrieb ständig.

Ich persönlich gehe sogar davon aus, dass ein liberalisierter 'Gebraucht'-Softwaremarkt Missbrauch verhindert. Er entspricht dem Rechtsempfinden der Marktteilnehmer und führt in Einzelfällen sogar dazu, dass bestimmte Softwareprodukte erschwinglich legal zu erwerben sind."

Thomas Huth: "Die Hamburger Gerichte zum Beispiel sehen die Rechtslage offensichtlich völlig anders. Mit der Zulassung der Revision dieses Falles hat auch der BGH für mich ein klares Zeichen gesetzt. Hierzu muss man sich vor Augen halten, dass das OLG München eine Revision ursprünglich abgelehnt hatte mit der Begründung, die Rechtslage sei eindeutig. Dieser Argumentation wollte der BGH offensichtlich nicht folgen. Mit seinem Urteil kann der BGH die uneinheitliche Rechtsprechung nunmehr bereinigen.

Schließlich hat der Gesetzgeber bereits im Jahre 1993 auf Grund einer EU-Richtlinie den Erschöpfungsgrundsatz für Software in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen und damit den klaren Willen bekundet, dass die Verkehrsfähigkeit von Software – genauso wie für jedes andere Wirtschaftsgut – ausdrücklich gewünscht ist. Vor diesem Hintergrund ist es doch kaum nachvollziehbar, warum ein Hersteller durch einen selbstgewählten Vertriebsweg in die Lage versetzt werden soll, einen solch wichtigen Grundsatz auszuhebeln. Um nichts anderes geht es in diesem Fall der online vertriebenen Oracle-Lizenzen."

Thomas Huth: "Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Wenn der BGH zugunsten der Hersteller hätte entscheiden wollen, hätte er sich doch nur der Argumentation der Vorinstanzen anschließen brauchen. Dann wäre bereits am Tag der Verhandlung ein entsprechendes Urteil gefällt worden. Die Zeit, die sich der BGH mit dem späten Verkündungstermin im Februar eingeräumt hat, zeigt doch gerade das Gegenteil. Es ist nun einmal deutlich aufwendiger, eine klare Regelung für etwas zu gestalten, als etwas einfach zu verbieten.

Sollte der BGH aber wider Erwarten doch zugunsten der Hersteller entscheiden, hätte dies für das Tagesgeschäft von usedSoft keine Auswirkungen, da wir nicht mit Lizenzen handeln, die online übertragen wurden. Im Übrigen könnten Oracle-Kunden dann das Problem ganz einfach lösen, indem sie mit jedem Softwarekauf eine CD verlangen. Dann wäre die Software ja wieder handelbar – was aber wiederum zeigt, wie widersinnig die ganze Diskussion ist."

Thomas Huth: "Diese juristischen Probleme kennen wir nur aus Deutschland. In den anderen Ländern scheint die zugrundeliegende EU-Richtlinie in dem Sinn ausgelegt zu werden, wie sie gemeint ist, nämlich zugunsten der Verkehrsfähigkeit von Software." (gs)