Anschluss an Stromnetze: Halbleiter statt Kupfer im Solid State Transformer
Um Rechenzentren oder Stromtankstellen ans Netz zu koppeln, ersetzen Solid State Transformer (SST) zunehmend klassische Transformatoren.
Transformatoren und Umspannwerk
(Bild: Christof Windeck/heise medien)
Wer ein Rechenzentrum, eine Stromtankstelle, einen Wind- oder Solarpark oder einen Batterie-Großspeicher ans Stromverteilnetz anschließen möchte, braucht einen Transformator. Denn die Hochspannungsnetze arbeiten mit Spannungen von mehreren Zehntausend Volt. Dabei kommen immer häufiger sogenannte Solid State Transformer (SSTs) zum Einsatz, die mehrere Vorteile versprechen im Vergleich zu klassischen Transformatoren mit tonnenschweren Magnetkernen und Kupferwicklungen.
Für die KI-Rechenzentren, die derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen, ist vor allem kurze Lieferzeit wichtig. Denn nur wenige spezialisierte Hersteller wie ABB, General Electric und Hitachi fertigen Hochspannungstransformatoren der Multi-Megawatt-Leistungsklasse – und haben Lieferzeiten im Bereich von Jahren.
SSTs hingegen sind schneller lieferbar, immer mehr Anbieter drängen auf den Markt. Aber SSTs versprechen noch weitere Vorteile.
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SST-Technik
Ein SST lässt sich grob als gigantisches Schaltnetzteil beschreiben. Darin sitzen Hochleistungs-Halbleiterschalter wie Siliziumkarbid-Transistoren (SiC) oder IGBTs, die mit höheren Frequenzen als der Netzfrequenz arbeiten und sich dynamisch ansteuern lassen. Wegen der höheren Frequenzen genügen kleinere Transformatoren für dieselben Leistungen. Dank der Steuerungsmöglichkeit lassen sich SST-Module für höhere Gesamtleistung zusammenschalten.
SSTs können Netze mit verschiedenen Frequenzen koppeln oder direkt aus dem Mittelspannungsnetz in die für KI-Rechenzentren ebenfalls vorteilhaften Hochspannungs-Gleichstromnetze einspeisen (HVDC mit 800 Volt). Auch für Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ), die etwa bei Erdkabeln und Seekabeln zum Einsatz kommt, sind SSTs vorteilhaft.
Batteriespeicher zur Überbrückung von Ausfällen (USV) oder zur Zwischenlagerung von billigem Strom aus Schwachlastzeiten sollen sich mit SSTs ebenfalls einfacher ankoppeln lassen. Manche SST-Hersteller nennen die Technik daher auch "Power Router".
SSTs kommen aber beispielsweise auch in Elektrolokomotiven zum Einsatz. Sie sind kompakter und leichter als Magnetkerntransformatoren, können für unterschiedliche Bahnstromsysteme verschiedener Länder ausgelegt werden und einphasig mit beispielsweise 16,67 Hertz eingespeiste Leistung direkt an dreiphasige Motoren weiterleiten.
SST-WettrĂĽsten
(Bild:Â TIGON)
Die Nachfrage nach starken Transformatoren für Stromverteilnetze schießt derzeit in die Höhe. Der KI-Boom heizt den Bau vieler neuer Rechenzentren an. Der Stargate-Standort Abilene in Texas soll im Endausbau mehr als 5 Gigawatt fressen. Diese Leistung entspricht rund 65 Prozent der mittleren Netzlast des gesamten Landes Österreich von etwa 7,5 GW (Regelzone APG).
Hier stand ursprünglich falsch, dass "5 Gigawatt ungefähr dem Leistungsbedarf von Österreich entspricht"
Die Energiewende hin zu Windkraft und Photovoltaik erfordert mehr Anschlusspunkte und zusätzliche Stromtrassen sowie Batteriespeicher. Dazu kommen noch starke Ladestationen für E-Autos und bald auch Lastwagen (Megawatt Charging System/MCS).
Heute kĂĽndigt Infineon, Hersteller unter anderem von SiC-Transistoren, eine SST-Kooperation mit dem Photovoltaik-Unternehmen SolarEdge an.
Im August meldete die auf Energieverteilsysteme spezialisierte Firma Eaton die Ăśbernahme von Resilient Power Systems. Letzte fertigt besonders kompakte SSTs fĂĽr Auto-Ladestationen.
Im März erwarb ABB einen Anteil an DG Matrix. Das Unternehmen aus North Carolina baut modulare 200-kW-Wandler, vor allem für KI-Rechenzentren.
Die EU fördert etwa das Projekt SSTAR für SSTs sowie auch TIGON für deren Einsatz in Microgrids.
(ciw)