Medizinforschung: "Hinter jedem Datenpunkt steckt ein Mensch“

Eine Forscherin fordert für den KI-Einsatz im Gesundheitswesen mehr Interoperabilität, Erweiterung der Infrastruktur und Sorgfalt im Umgang mit Patientendaten.

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Dr. Jacqueline Lammert

Dr. Jacqueline Lammert hält eine Keynote.

(Bild: TMF)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Wichtig für den Einsatz von KI in der Medizin sei die Erweiterung und Vernetzung vorhandener Infrastrukturen, erklärte Dr. Jacqueline Lammert, Leiterin der Forschungsgruppe AI for Women's Health an der Technischen Universität München auf dem 7. Digital Health Symposium der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF).

„Wir bauen auf bestehenden Infrastrukturen auf. Wir haben in Deutschland hervorragende Datenintegrationszentren, und die können wir mit unseren Hochleistungs-GPU-Clustern erweitern. Und wenn wir dann Open-Source-Standards nutzen, wie Kubernetes, und wenn wir dann auch noch Kerndatensätze nutzen, um eben homogen diese Daten auch entsprechend zu dokumentieren, dann können wir Interoperabilität sicherstellen.“ Kerndatensätze sind standardisierte Gesundheitsdaten, die erforderlich sind, um einen nahtlosen und verlustfreien Informationsaustausch zwischen verschiedenen IT-Systemen und Organisationen zu gewährleisten.

Auf Grundlage dieser Standards brauche es dann sichere, europäische Cloud-Infrastrukturen. Lammert wünscht sich das unter anderem für eine Datenverarbeitung in Echtzeit. Dabei dürfe jedoch nicht vergessen werden, dass hinter jedem Datenpunkt ein Mensch steckt und mit diesen Daten sorgsam umgegangen werden müsse.

Offene Standards und quelloffene Software sieht sie als Grundvoraussetzung für digitale Souveränität im europäischen Gesundheitswesen. Momentan sei man zu abhängig von wenigen Hardware- und Cloud-Anbietern. „Wir bestellen von Nvidia, einfach weil da das Monopol drauf ist“, sagte Lammert dazu in einer anschließenden Diskussionsrunde. Mal eben in die Cloud zu gehen, beispielsweise mit einem städtischen Krankenhaus, sei aktuell nicht einfach.

Bei Large Language Models (LLMs) zeigte sich Lammert, die selbst LLMs mit medizinischen Daten feinjustiert, kritisch. Ihrer Ansicht nach kann man diese nicht einfach loslaufen lassen. „Wir müssen Personal schulen und insbesondere über Risiken informieren. Denn wir wissen, dass Fehler passieren und auch Halluzinationen passieren können. Und wir können diese nicht verhindern, aber wir können dafür kontrollieren.“ Bei Innovationen gehe es nicht einfach darum, „im Digitalisierungsprozess etwas papierlos zu machen, sondern es geht wirklich um Transformation.“

Ein weiteres Problemfeld liegt laut Lammert in der Datenqualität, wie sie in ihrem Vortrag ausführte: „Über 80 Prozent aller Daten liegen im unstrukturierten Format vor.“ Ihr Team habe mit LLM-gestützten Methoden bereits bewiesen, dass sich Diagnosen, Therapien und Biomarkerprofile aus Textdaten präzise ableiten lassen.

Ein Beispiel dafür sei das Verbundprojekt GoTwin („Gynecologic Oncology – Targeting Women's Individual Needs“), das personalisierte Therapien für Patientinnen mit Eierstockkrebs entwickeln soll. Dafür werden digitale Abbilder der Patientinnen geschaffen, die Bilddaten, Labordaten, genetische Profile und Therapieverläufe zusammenführen.

„Wir wollen virtuelle Abbilder dieser Frauen erstellen. Und zwar nicht nur aus den Arztbriefen, aus tabellarischen Daten und Bilddaten, sondern wir möchten diese Therapieverläufe auch richtig gut darstellen. Das heißt, Langzeitverläufe modellieren, um da die Prädiktionsmodelle aufzustellen, um bessere Therapievorhersagen zu machen.“

Vertrauen in KI entsteht laut Lammert dadurch, „dass wir Menschen aktiv einbinden. Und das nicht erst, wenn es darum geht, eine Antwort zu validieren … denn Menschen haben das letzte Wort, aber auch das erste.“

(mack)