Urteil: Dänischer Provider Tele2 muss Zugang zu AllofMP3 blockieren

Ein dänisches Gericht hat am gestrigen Mittwoch den Zugangsanbieter Tele2 dazu verpflichtet, seinen 750.000 Kunden keinen Zugang zu dem populären, aber umstrittenen Online-Musikshop mehr zu gewähren.

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Ein dänisches Gericht hat am gestrigen Mittwoch den Zugangsanbieter Tele2 dazu verpflichtet, in seinem Netz den Zugang zum russischen Musikanbieter AllofMP3.com zu blockieren. Damit werden 750.000 Kunden des ISPs von dem populären, aber umstrittenen Online-Shop ferngehalten. Geklagt hatte die Musikindustrie, vertreten durch die dänische Sektion des Weltverbandes IFPI. Die Musiklobby jubelt: Das Gericht habe der "illegalen Musik-Website AllofMP3.com" einen "neuen Schlag" versetzt. Spätestens jetzt müsse auch der letzte Zweifel hinsichtlich der Illegalität des Angebots ausgeräumt sein. IFPI-Chef John Kennedy blickt hoffnungsfroh in die Zukunft: "Dieses Urteil ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Schließung dieser Schurken-Site".

Tele2 will unbestätigten Berichten zufolge gegen das Urteil Berufung einlegen. Ein Vertreter des Verbandes der dänischen Telekommunikationswirtschaft zeigte sich geschockt und empört von dem Urteil. Zensurvorwürfe und Vergleiche mit China machen die Runde. Die IFPI sei eine Bedrohung der freien Kommunikation und kenne in ihrem Krieg gegen Urheberrechtsverletzungen offenbar keine Grenzen mehr, so ein Vertreter der dänischen "Piratgruppen". Weder Tele2 noch andere dänische Branchenvertreter waren kurzfristig für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die Position der Musikindustrie dagegen ist: AllofMP3 verkaufe Musik, ohne über die entsprechenden Rechte zu verfügen, deshalb sei der Verkauf illegal – ob nun nach russischem, dänischen oder sonst einem Urheberrecht. Bisher war dieser Argumentation und den Bemühungen der Lobby aber noch nicht viel Verwertbares entsprungen. Im siegesgewissen Kriegsgeheul der Rechteinhaber geht jetzt unter, dass AllofMP3 zwar höchst umstritten, in Russland aber offenbar noch ein legales Unternehmen ist.

Die Russen verweisen bei jeder Gelegenheit darauf, dass es noch kein Urteil gegen sie gibt. Und sie führen angeblich Lizenzgebühren an die russische Verwertungsgesellschaft ROMS ab, was von der IFPI und ihren Mitgliedern nicht anerkannt wird. "Verurteilt" wurde das Musikportal bisher also nur von den Körperschaften der Musikindustrie, im rein moralischen Sinne. Allerdings zeigt die Kampagne Wirkung. Mit Visa und Mastercard haben zuletzt die zwei größten Kreditkartenunternehmen AllofMP3 die Zahlungsabbwicklung verweigert. In Deutschland konnte die Plattenindustrie im vergangenen Jahr eine Einstweilige Verfügung gegen das Portal erwirken. Darin wurde es Allofmp3 verboten, die Aufnahmen der beteiligten Plattenfirmen in Deutschland zu verbreiten. Aufgrund dieser Entscheidung ging die Musikindustrie auch gegen die Verlinkung der Website von Allofmp3 vor.

Es handele sich nicht um um eine global orchestrierte Aktion der IFPI, erklärte ein Sprecher der Organisation in London. Vielmehr sei das Urteil auf die Initiative der Dänen zurückzuführen. Die IFPI-Landesverbände versuchten, dort gegen AllofMP3 vorzugehen, wo das lokale Gesetz die Möglichkeiten dazu biete. Auch in Großbritannien klagt der lokale Verband gegen den Musikladen. Beim Verband der phonographischen Wirtschaft, der deutschen IFPI-Sektion, findet man das dänische Urteil auch spannend. Zwar gebe es keine konkreten Pläne in dieser Richtung, erklärte ein Sprecher, aber man werde das Urteil des dänischen Gerichts natürlich genau prüfen.

Die Chancen der Musikindustrie auf ein ähnliches Urteil hierzulande schätzen Experten allerdings eher gering ein. Die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA hatte sich mit einem ähnlichen Vorstoß bereits einmal ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Medienwirksam ließ sie ihre Anwälte ein dickes Konvolut gleich bei 42 deutschen Providern abladen. Darin forderte die GEMA die ISPs per Unterlassungsgesuch auf, den Zugang zu ausgewählten Filersharing-Angeboten auf DNS-Ebene zu sperren. Die Provider haben sich damals nicht einschüchtern lassen, die von der GEMA angedrohten Klagen sind bisher ausgeblieben. Ein eher stiller Rückzug.

Unbestätigten Berichten zufolge ist AllofMP3 noch aus Tele2-Netzen erreichbar. Die Frage ist nur, wie lange noch. Für den Fall, dass Tele2 den Zugang auf DNS-Ebene regelt, stellt sich zudem gleich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Unterfangens: Bereits kurz nach Bekanntwerden des Urteils bieten zahlreiche dänische Websites, darunter die der Piratgruppen, Hilfe für die Nutzung eines alternativen Nameservers. (vbr)