Sichere mobile Geschäftsanwendungen vs. Karneval der Apps

Politiker, Entwickler und Unternehmer zogen auf dem SimoBIT-Kongress zu neuen Geschäftsfelder durch mobile Breitband-Applikationen ein positives Fazit des vierjährigen Förderprogramms und versuchten die Ergebnisse in den App-Hype einzuordnen.

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Von
  • Stefan Krempl

Politiker, Entwickler und Unternehmer haben auf einem Kongress in Berlin zu neuen Geschäftsfelder durch mobile Breitband-Applikationen am heutigen Donnerstag ein positives Fazit des vor vier Jahren gestarteten SimoBIT-Förderprogramms gezogen. "Die Bundesregierung hat einen Nerv getroffen", freute sich der parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär Hans-Joachim Otto gegenüber heise online über den Zusammenfall des Projekts mit dem allgemeinen Hype rund um mobile Apps. "Anfangs haben wir von Anwendungen gesprochen", ergänzte der zuständige Referatsleiter im Bundeswirtschaftsministerium, Andreas Goerdeler. Inzwischen seien die kleinen nutzerfreundlichen Applikationen mit dem Erfolg von Smartphones den meisten Nutzern ein Begriff.

Zwischen den im Rahmen von SimoBIT (Sichere Anwendung der mobilen Informationstechnik zur Wertschöpfungssteigerung in Wirtschaft und Verwaltung) entwickelten Pilotanwendungen für den Geschäftsbereich und den gängigen Apps im Verbrauchermarkt gibt es aber nach wie vor gravierende Unterschiede. "Es reicht nicht aus, an Mitarbeiter iPhones zu verteilen", betonte der Münchner Wirtschaftswissenschaftler Arnold Picot. "Man muss Geschäftsprozesse reorganisieren." Dabei kämen auch rasch Investitionen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro und darüber zusammen. Diese hätten aber etwa bei einer Anwendung im Bereich der Flugzeugwartung durch den effizienteren Einsatz von Werkzeugen nach anderthalb Jahren wieder reingeholt werden können. Der Cottbusser Technikphilosoph Klaus Kornwachs hatte gar den Eindruck, dass aus dem "annoncierten Internet der Dinge" ein "Karneval der Apps" geworden sei. Auch bei Geschäftsprozessen komme es ihm manchmal so vor, dass da "ein Spielzeug" entwickelt werde und man "dann guckt, was man damit machen kann".

Karl-Heinz Neumann, Geschäftsführer der WIK-Consult GmbH und wissenschaftlicher Betreuer des SimoBIT-Programms, sieht von den inzwischen zum Großteil den Kinderschuhen entwachsenen Projekten dagegen eine klare "Botschaft an die Anwendungswelt" ausgehen: "Man muss Probleme identifizieren, sie sauber beschreiben und dann Partner suchen, die Lösungen mitbauen." Bei allen 12 SimoBIT-Leuchtturmentwicklungen habe sich gezeigt, "dass man das schaffen kann". Einige der beteiligten Partner seien jetzt dabei, "vermarktungsfähige Produkte zu bauen". Dies gestalte sich teils schwierig, da viele der Konsortialstrukturen "eine Mischung aus öffentlichen Verwaltungen und kommerziellen Unternehmen" im Rahmen von Public Private Partnerships darstellten. Aber auch hier lasse sich etwa über die Vermarktung durch Dritte Geld verdienen.

Der Staat hat das zum Jahresende auslaufende SimoBIT-Projekt zuvor mit rund 30 Millionen Euro gefördert; die beteiligten Unternehmen, die vor allem aus dem Mittelstand kommen, haben noch einmal die gleiche Summe eingebracht. Fortführen will den durch die Initiative "eingeleiteten Innovationsprozess" nun nach eigenen Angaben (PDF-Datei) der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW).

Das Pilotstadium abgeschlossen hat unter anderem das Projekt Med-on-@ix, das auch unter der einprägsameren Domain Telenotarzt.de firmiert. Ziel ist es, "medizinisches Fachwissen an der Notfallstelle zur Verfügung zu stellen", erläutert Max Skorning vom Universitätsklinikum Aachen. Es gehe es darum, Daten wie EKG-Werte, aktuelle Fotos von Patienten oder Arztbriefe während eines Einsatzes über einen speziell ausgerüsteten Rettungswagen an eine Zentrale zu senden, die mit aktuellen Auswertungen zur Verfügung stehe. So könne der Notarzt entlastet oder gar durch einen Assistenten ersetzt werden.

Im Rahmen eines Testlaufs von Dezember 2009 bis September diesen Jahres sind Skorning zufolge über 500 Patienten mithilfe des Telenotarztwagens versorgt worden. Nun würden die Ergebnisse ausgewertet, neue Sensoren entwickelt, Prozesse neu ausgerichtet und Geräte miniaturisiert. Herauskristallisiert habe sich bereits, dass die medizinische Notversorgung qualitativ verbessert und beschleunigt werden konnte. Von 2012 an sei ein ausgeweiteter Praxisbetrieb geplant, nachdem die Nachfrage vor allem in ländlichen Regionen etwa im Bayerischen Wald oder Mecklenburg-Vorpommern groß sei. Insgesamt habe das Projekt bislang mit 5,5 Millionen Euro zu Buche geschlagen, der staatliche Beitrag liege bei rund 3 Millionen.

Ebenfalls im Gesundheitsbereich angesiedelt ist "Opal Health", wo es um den Einsatz neuer Netzwerktechnologien zur Prozessoptimierung im Klinikumfeld geht. Einerseits werden dabei teure Geräte wie mobile Herzschrittmacher oder Spritzpumpen mit einer "IT-Einheit" nebst aktivem Funkchip verbunden, um diese besser auffindbar zu machen, führt Projektleiter Günter Grebe von T-Systems aus. Diese senden Informationen über benachbarte Einheiten bis zu einem Gateway, die mit einem IT-Zentrum kommuniziert. Das zweite Einsatzszenario der kleinen Funksender besteht in der Überwachung der erforderlichen Kühltemperatur beim Transport von Blutkonserven und der Überprüfung kurz vor einer Transfusion.

Den Brandschutz und die Schadensabwehr verbessern will "Mobis Pro". "Momentan läuft bei einem Feuerwehreinsatz alles über Funk, wobei immer nur einer sprechen kann", erläutert Martina Kaster von der Firma Vomatec das zusammen mit den Universitäten Paderborn und Dortmund vorangetriebene Vorhaben. Das führe häufig zu extrem langen Orientierungsphasen. Mit der Mobilanwendung sei eine schnelle Visualisierung der schnellsten Anfahrtswege sowie der Lage vor Ort und der Online-Abruf über eventuell gelagerte Gefahrenstoffe oder die Position von Hydranten möglich. Dies verringere Einsatzzeiten und auftretende Schäden. Obwohl "Mobis Pro" noch bis zum Sommer 2011 läuft, laufen laut Kaster bereits Gespräche mit potenziellen Kunden des Systems, dessen Förderung bei rund 2 Millionen Euro liegt. (pmz)