Bundesregierung will Widerrufsrecht im Versandhandel stärken

Verbraucher sollen laut einem Gesetzesentwurf künftig keinen Wertersatz mehr leisten müssen, wenn sie bei online oder telefonisch getätigten Geschäften die Ware lediglich prüfen und den Vertrag dann widerrufen.

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Verbraucher sollen künftig keinen Wertersatz mehr leisten müssen, wenn sie bei online oder telefonisch getätigten Geschäften die Ware lediglich prüfen und den Vertrag dann widerrufen. Einen entsprechenden Entwurf (PDF-Datei) für ein Gesetz zur Anpassung der Regeln im Fernabsatz hat das Bundeskabinett am heutigen Dienstag beschlossen – die Bundesregierung sieht in diesem Bereich trotz Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs noch Unsicherheiten. "In einem Geschäft kann sich der Kunde die Produkte in Ruhe ansehen, bevor er sich endgültig zum Kauf entscheidet", begründete die federführende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Vorstoß. "Beim Einkauf mit dem Telefon oder im Internet darf nichts anderes gelten."

Kunden müssen gemäß der Initiative der Bundesregierung Wertersatz für erfolgte Nutzungen und damit erlangte Vorteile aus dem Gebrauch einer Sache und für die Verschlechterung von im Fernabsatz gekauften Waren nur noch leisten, soweit sie die Ware in einer Art und Weise verwendet haben, "die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht". Damit soll gewährleistet werden, dass Verbraucher ihr Widerrufsrecht effektiv nutzen können. Theoretisch soll bei einer Nutzung, die wie beim Tragen eines Hochzeitskleids während des Festtags über ein reines Ausprobieren hinausgeht, der Unternehmer auch weiterhin seinen Anspruch auf Wertersatz geltend machen. Die Beweislast muss er aber selbst tragen.

Das Kabinett will mit dem Entwurf einer Forderung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nachkommen. Dieser entschied im Herbst vergangenen Jahres, dass die Bestimmungen der EU-Fernabsatzrichtlinie der bisherigen Klausel im BGB entgegenstehen, wonach Händler von Verbrauchern für die Nutzung einer im Fernabsatz gekauften Ware bei fristgerechtem Widerruf generell Wertersatz verlangen können (Az.: C-489/07). Einen Anspruch auf Wertersatz hielt der EuGH aber in den Fällen für möglich, in denen Kunden die Ware auf eine mit Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von "Treu und Glauben" oder der "ungerechtfertigten Bereicherung" unvereinbare Weise benutzt haben.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Widerrufsrecht Anfang des Monats bereits gestärkt und sich dabei teils vom einschlägigen EuGH-Urteil leiten lassen. Nach Ansicht der Bundesregierung besteht aber immer noch Rechtsunsicherheit. So habe der BGH zwar entschieden, dass ein Verbraucher nach Widerruf eines im Fernabsatz gekauften Wasserbetts auch dann keinen Wertersatz leisten muss, wenn die Ware allein auf Grund der Prüfung weitgehend wertlos geworden ist. Die Entscheidung treffe aber gerade nicht den vom Luxemburger Richterspruch erfassten Wertersatz für Nutzungen, sondern nur den für Verschlechterungen. Ferner sei es im BGH-Fall offenbar nicht auf die vom EuGH ebenfalls thematisierte Frage der Beweislastverteilung angekommen.

"Geringfügige Kosten" für die Wirtschaft will das Kabinett aufgrund des Vorhabens nicht ausschließen. Auswirkungen auf das Preisniveau insgesamt seien jedoch nicht zu erwarten. Unternehmen hätten bisher schon zumeist darauf verzichtet, Ansprüche auf Wertersatz für das bloße Prüfen und Ausprobieren der Ware geltend zu machen. Darüber hinaus dürfte ein solcher Anspruch in der Regel gering sein. Hinsichtlich der Forderung nach Wertersatz für eine Verschlechterung der Ware müssten Firmen künftig beweisen, dass eine solche auf einen Umgang des Verbrauchers zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Ware hinausgeht. (jk)