Nano: mehr schwarz als grün

Die Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Australia versucht, in einem lesenswerten neuen Report die heiße Luft aus "grünen Nanotechnologien" abzulassen. Trotz vieler kluger Argumente überzeugt mich das Ergebnis nicht ganz.

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Von
  • Niels Boeing

Friends of the Earth (FoE) – in Deutschland durch den BUND vertreten – sind die einzige, fast möchte man sagen, letzte verbliebene Umweltorganisation, die sich noch gründlich und kritisch mit Nanotechnik auseinander setzt. Nach Nanoanwendungen in Kosmetik und Lebensmitteltechnik hat sich die australische Sektion von FoE nun die "grünen Nanotechnologien" vorgeknöpft.

Ein logischer Schritt: War die Nanotechnik von Industrie und Forschung lange als wundersames, aber diffuses Innovationsprogramm gepusht worden, sprach sich in den vergangenen drei Jahren allmählich herum, dass sie gerade für die Lösung unserer Energie- und Klimaprobleme wichtig sein könnte. Dahinter steckte nicht unbedingt eine neue Einsicht, sondern oft genug der Umstand, dass vor allem in den USA private Investoren des Nano-Hypes überdrüssig geworden waren und zur "Cleantech" weiterzogen.

Also nur ein weiterer Fall von Greenwashing? Tatsächlich sind viele Nanoanwendungen, etwa in der Photovoltaik, lange vor dem "Green Nano"-Trend in Gang gekommen. Nur hatten sie da noch keine Lobby im Millionenspiel der Nanoförderung.

FoE haben ihre Kritik klugerweise nicht auf diesen Aspekt konzentriert. Stattdessen haben sie die verschiedenen Anwendungsgebiete daraufhin abgeklopft, ob die unterm Strich wirklich eine Entlastung für die Umwelt, beim Energieverbrauch und bei den Treibhausgasemissionen bringen. Systematisch werden in dem Report Nanotechnologien für Photovoltaik, Windkraft, Wasserstoffwirtschaft, Batterien, Superkondensatoren, Wärmedämmung und Leichtbau analysiert. Das Ergebnis liest sich zunächst ernüchternd.

Die Wirkungsgrade von Nanosolarzellen sind mit 6,4 bis 14,3 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Solarzellen bescheiden. Geradezu alarmierend ist aber, dass die Herstellung von Nanomaterialien häufig sehr viel Wasser, Lösungsmittel und Energie verbraucht.

Die Produktion von Kohlenstoffnanoröhren benötigt zwischen 13 und 50 Mal so viel Energie wie die von Aluminiumblechen und gar bis zu 360 Mal so viel wie die von Stahl. FoE zitieren US-Forscher, einwandige Nanotubes seien "einer der energieintensivsten Werkstoffe, die es gibt". Das ist umso ärgerlicher, als Nanoröhren neben Anwendungen in Sensorik und Elektronik vor allem als stabilisierender Zusatz für Kunststoffe – etwa in Rotorblättern für Windräder – und für Batterieelektroden eingesetzt werden.

Die Bilanz trüben des weiteren Produktionsabfälle, die sich für manche Nanowerkstoffe in der Elektronik auf bis zu 99,9 Prozent des Materialinputs belaufen und die Umwelt belasten können. Effizienz sieht anders aus.

Für die meisten Anwendungen liegen noch keine Lebenszyklusanalysen vor. Die wenigen vorliegenden Zahlen könnten aber daraufhin deuten, dass es sich um ein generelles Problem von Nanotechnologien handelt.

FoE wollen zwar nicht so weit gehen, "grüne Nanotechnologien" in Bausch und Bogen zu verwerfen. Sie erkennen an, dass "einige Nanotechnologien erneuerbare Energien verbessern" können – allen voran Superkondensatoren als Energiespeicher. Bis auf weiteres sei die Herstellung von Nanotechnologien jedoch eine dreckige Angelegenheit.

Die Umweltschützer legen den Finger auch noch in eine andere Wunde: Viele Nanotech-Firmen haben Schwierigkeiten, ihre Technologien, die im Labor beeindruckend sind, verlässlich und präzise hochzuskalieren. Dies ist in der Tat ein Problem, dass die Nano-Community gerne ausblendet.

Das Fazit des Reports ist denn auch nicht überraschend: "Unsere Untersuchung zeigt, dass die Nanotechnologie-Industrie viel verspricht und wenig einlöst." FoE befürworten deshalb, lieber bereits vorhandene Technologie-Ansätze für den Umbau zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem zu stärken.

So weit, so stimmig. Aber nur scheinbar. Als Beleg für das geringe Einsparpotenzial an CO2-Emissionen dank Nanotechnologien verweisen FoE auf ein altes Paper von Tim Harper (Cientifica) von 2007, der es auf 0,27 Promille beziffert. Tatsächlich kommt eine von Ben Walsh für Großbritannien im selben Jahr vorgelegte Abschätzung bereits auf 1,7 Prozent, und eine Studie von Jochen Lambauer und Alfred Voß (Uni Stuttgart) von 2008 ermittelt für die Bundesrepublik gar ein Einsparpotenzial von zehn Prozent bis 2030 (mehr dazu siehe hier).

Die Analyse hebt als weiteres Hindernis für Nachhaltigkeit hervor, dass grüne Nanotechnologien häufig auf seltene Metalle angewiesen sind und deren Verbrauch erhöhen. Aber schon "herkömmliche" Windräder mit Permanentmagneten benötigen erhebliche Mengen an knappem Neodym. Dessen Materialeinsatz ließe sich aber vielleicht gerade durch die Verwendung von Nanopartikeln deutlich reduzieren. Dass die Herstellung von Nanomaterialien nur mit Hilfe toxischer Materialien gelingen kann, ist ebenfalls nicht ausgemacht. Forscher der University of Missouri berichten aktuell davon, dass sie Goldnanopartikel mit Hilfe von Zimt erzeugen konnten. Warum sollten die Prinzipien der "grünen Chemie" ausgerechnet vor Nanomaterialien Halt machen? Hier könnte sich in den nächsten Jahren noch eine Menge tun.

So erinnert die Argumentation von FoE doch manchmal verblüffend an jene Energieexperten, die noch in den 1990ern erneuerbaren Energien ein Potenzial von fünf, sechs Prozent an der Stromerzeugung zutrauten. Heute wissen wir es besser. Richtig ist hingegen die Beobachtung, dass "grüne Nanotechnologien" bislang nicht Teil eines systematischen übergreifenden Forschungsprogramms gewesen sind, das von Anfang an auch auf Ökobilanzen und Umweltrisiken geachtet hätte. Das ist eigentlich der entscheidende Fehler – der sich meines Erachtens aber noch korrigieren lässt.

Ein letzter Punkt: FoE warnen davor, dass Green Nano nur als Ausgangspunkt für den nächsten kapitalistischen Wachstumsschub gedacht sein könnte. Rebound-Effekte würden dann sowieso alle Effizienzgewinne wieder zunichte machen. Statt solcher Experimente sollten wir endlich auf eine nicht wachsende "steady state economy" zusteuern, raten sie. Leider ist Wirtschaftswachstum aber keine ideologische Wahnvorstellung, die sich durch Verhaltensänderungen überwinden ließe: Solange die Geldschöpfung durch Kredit erfolgt, kommt es auch zu Wachstum. Aber das ist dann schon ein anderes Thema.

Mein Fazit nach der Lektüre des Reports fällt anders aus: Wenn grüne Nanotechnologien derzeit eher schmutzig als nachhaltig sind, sollte man sie nicht abschreiben, sondern sie endlich in eine umfassende Roadmap einbetten. Ein Allheilmittel für Nachhaltigkeit sind sie sicher nicht – aber ein wichtiger Baustein, auf den wir nicht verzichten sollten.

Der Report:

Friends of the Earth, "Nanotechnology, climate and energy: over-heated promises and hot air?", 16.11.2010.

(nbo)