Anhörung zu Assange-Auslieferung wird fortgesetzt

Die Anhörung über die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die schwedische Justiz vor einem Londoner Gericht geht in die dritte Runde und wird am kommenden Freitag fortgesetzt. Am Dienstag fuhren beide Seiten schwere Geschütze auf.

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Von
  • dpa

Die Anhörung über die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die schwedische Justiz geht in die dritte Runde und wird am kommenden Freitag fortgesetzt. Am heutigen zweiten Anhörungstag vor einem Londoner Gericht fuhren die Anwälte beider Seiten schwere Geschütze auf. Assanges Seite warf der schwedischen Justiz Parteilichkeit vor. Aber auch die Gegenseite legte nach. Assange sei im Sommer vergangenen Jahres nach Bekanntwerden der Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn förmlich aus Schweden geflohen, er sei nicht einmal von seinem Anwalt zu erreichen gewesen.

Assange wird in dem Prozess von einem ganzen Stab von Anwälten um Mark Stephens vertreten. Die Anwälte fordern das Erscheinen der schwedischen Staatsanwältin Marianne Ny in London. Sie weigere sich zu dem Auslieferungsprozess zu kommen und "sich einer Befragung zu stellen, von der sie weiß, dass sie ihr nicht standhalten kann", sagte Stephens am Dienstag. Assange betonte, es sei eine Ungleichbehandlung, wenn sein Anwalt und seine Zeugen aus Schweden geholt würden, die Staatsanwältin aber nicht komme. Das Assange-Lager wirft der Staatsanwältin vor, nicht unvoreingenommen zu sein. Ny habe ein gestörtes Verhältnis zu Männern und "ihre Ausgewogenheit verloren", sagte eine als Zeugin geladene schwedische Juristin bereits am Montag.

Die schwedische Staatsanwaltschaft wirft Assange vor, zwei Frauen sexuell belästigt und in einem Fall vergewaltigt zu haben und verlangt seine Auslieferung. Assange bestreitet die Vorwürfe vehement und wehrt sich gegen die drohende Auslieferung, weil er in Schweden kein faires Verfahren erwartet. Sein schwedischer Anwalt Björn Hurtig sagte am Dienstag vor Gericht, die Staatsanwaltschaft in Schweden habe 100 Textnachrichten von und an die Opfer gesammelt, aber bisher nicht herausgegeben. Die SMS-Nachrichten würden Assanges Unschuld beweisen und bezeugen, dass die Frauen auf Geld und Revanche aus seien.

"Bei Herrn Assange besteht ganz offensichtlich Fluchtgefahr und es kann nicht als Überreaktion betrachtet werden, ihn festzusetzen", sagte dagegen Clare Montgomery, die als britische Staatsanwältin die Interessen der schwedischen Justiz in dem Auslieferungsverfahren vertritt. Ein früherer schwedischer Oberstaatsanwalt, Sven-Erik Alhem, sagte: "Ich hätte ihn festgenommen, als er in Schweden war." Da Assange aber inzwischen nach Großbritannien gereist war, hätte statt eines EU-weiten Haftbefehls zunächst ein Verhör etwa per Videoschaltung versucht werden sollen.

Die von der Assange-Verteidigung vorgebrachte Befürchtung, ihr Mandant könnte im Falle einer Auslieferung nach Schweden später in die USA weiter geschoben werden, wo ihm Straflager und Todesstrafe drohten, hielt am Dienstag selbst der schwedische Ex-Staatsanwalt Alhem – von der Verteidigung aufgeboten – für überzogen. "So weit ich es verstehe, gibt es dieses Risiko nicht. Aber es gibt Bedenken, die mir nicht bewusst sind und die ich nicht kommentieren kann", sagte er.

Die Strategie der Verteidigung von Assange zielt vor allem auf die Tatsache, dass es in Schweden bisher keine Anklage gegen Assange, sondern nur ein Ermittlungsverfahren gibt. Eine Auslieferung nur zum Zwecke einer Beschuldigtenvernehmung sei nicht verhältnismäßig, lautet das Argument. Stattdessen könne das Verhör auch in Großbritannien, etwa in der schwedischen Botschaft oder per Videoschaltung stattfinden.

Unabhängig vom Ausgang wird damit gerechnet, dass die unterlegene Seite Berufung einlegt, so dass sich die endgültige Entscheidung noch Wochen oder sogar Monate hinziehen könnte. (vbr)