Nokia setzt zum Sprung an

Nokias CEO steht auf einer brennenden Plattform. Dass er springen wird, ist längst klar. Die Beobachter sind sich bislang einig: Unten wartet schon Steve Ballmer. Unklar ist, ob das eine Erfolgsgeschichte wird – oder eine Allianz der Verlierer.

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Auch am Vorabend des vielleicht wichtigsten Tags in der jüngeren Unternehmensgeschichte sorgt Nokia weiter für Schlagzeilen. Medien, Analysten und Branchenexperten befeuern die seit Wochen kochende Gerüchteküche mit neuen Meldungen über den "finnischen Patienten", der vor einer richtungsweisenden Entscheidung steht. Glaubt man dem Wall Street Journal, ist diese bereits zugunsten Microsofts gefallen: Nokia, so schreibt die Wirtschaftszeitung unter Berufung auf eine mit den Vorgängen vertraute Quelle, stehe kurz vor dem Abschluss eines Kooperationsabkommens mit dem Hersteller von Windows Phone 7.

Nokia-Chef Stephen Elop dürfte dem "finnischen Patienten" eine harte Kur verordnen.

(Bild: dpa)

Dass die Finnen das Ruder in die eine oder andere Richtung herumreißen müssen, steht außer Frage. Spätestens mit dem wohl kalkuliert an die Öffentlichkeit gelangten internen Brandbrief des neuen CEO Stephen Elop musste allen Beteiligten klar sein, dass Nokia einen harten Kurswechsel braucht. Der Kanadier hatte das Bild einer brennenden Bohrinsel bemüht: Nokia muss ein Risiko eingehen und sich in die kalten Fluten stürzen, um nicht zu verbrennen. Keine Frage: Elop wird springen. In welche Richtung, das will er am Freitag in seiner Strategie-Präsentation erläutern.

Für Elop ist klar, dass sich der einstmals beste Handy-Hersteller der Welt zu lange auf seinen unbestrittenen Kompetenzen ausgeruht hat. Nokia baut noch immer technisch hervorragende Handys, hat auf den für die Branche wichtigsten Feldern aber den Anschluss verloren: Smartphones, Betriebssysteme sowie Apps und deren Vermarktungsplattformen. Bei diesen "Ökosystemen" dominieren Apple und Android, Nokia hat mit Symbian und der Ovi-Welt zwar Masse entgegenzusetzen, aber nichts zu melden.

Elop hatte bereits zur Bekanntgabe der letzten Quartalszahlen vor zwei Wochen angedeutet, dass sich der Marktführer in Ermangelung eines eigenen zugkräftigen Ökosystems auch dem eines Konkurrenten anschließen könnte. Oder zusammen mit einem Partner etwas Neues aufziehen: Das wäre die Microsoft-Variante. Beide Partner könnten davon profitieren: Redmond sucht Marktanteile für das unterbewertete Windows Phone 7, Nokia braucht schnell ein zeitgemäßes Betriebssystem.

Ob die Kraft der beiden Riesen reicht, auch eine lebhafte Entwicklergemeinde für die Plattform anzuziehen, muss sich dann zeigen. Schon jetzt gibt es reichlich Spott. Eine Allianz der Verlierer zeichne sich da ab, witzeln Beobachter. "Zwei Truthähne ergeben keinen Adler", twitterte Googles Vic Gundotra nicht ohne Häme unter Hinweis auf den Termin am Freitag. Gundotra zitiert damit den ehemaligen Nokia-Mann Anssi Vanjoki, der mit dem Truthahn-Vergleich 2005 die im Insolvenzverfahren verendete Übernahme der Siemens-Handysparte durch BenQ kommentiert hatte.

Und Hoffnungsträger Meego? Die Sterne stehen nicht gut für das gemeinsam mit Intel entwickelte Open-Source-System, in dem Nokias Maemo und Intels Moblin aufgegangen sind. Das mythenumwobene N9 soll das erste Meego-Smartphone sein, doch ist völlig unklar, ob und wann das Gerät auf den Markt kommt. Am Mittwoch machten erste Gerüchte die Runde, Nokia habe die Entwicklung des N9 ganz eingestellt. Analysten orakeln unterdessen, die Finnen könnten an einem weiteren Meego-Gerät arbeiten und das auch bald zeigen. Dazu kommen Meldungen, dass auch die Entwicklung des Netbook-Version offenbar aufgegeben wurde. (vbr)