Unterschriftenkampagne gegen verdachtsunabhängiges Datensammeln

"Daten speichern ist keine Lösung gegen Terrorismus und Verbrechen!" Unter diesem Motto startete eine Unterschriftenkampagne gegen Brüsseler Pläne zur verdachtsunabhängigen Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten auf Vorrat.

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Von
  • Monika Ermert

"Daten speichern ist keine Lösung gegen Terrorismus und Verbrechen!" Unter diesem Motto werben die europäische Bürgerrechtsrorganisation European Digital Rights Initiative (EDRI) und der niederländische Provider XS4All für eine Unterschriftenkampagne gegen Brüsseler Pläne zur verdachtsunabhängigen Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten auf Vorrat. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein Eingriff in die Privatsphäre der 450 Millionen Bürger Europas, warnt EDRI. Sie erweitere das Potenzial, die Bürger in nie da gewesener Weise zu überwachen. Der Vorschlag der EU-Kommission, der bereits heftige Proteste ausgelöst hat, ist laut EDRI ein klarer Verstoß gegen Datenschutzregelungen in Europa und insbesondere den Paragraph 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Bei dem Vorhaben ging es bislang bereits um die Verpflichtung von Telekommunikationsanbietern zur Aufbewahrung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen. Die vorgeschlagenen Zeiträume lagen bislang zwischen sechs und 48 Monaten; bis zum Oktober sollen entsprechende Verordnungen nach dem Willen der EU-Innenminister, die nach den Terroranschlägen in London das Vorgehen forcierten, verabschiedet werden. Nach den jüngsten Plänen sollen nun Benutzer von Telefon, Handy und Internet von der ersten Sekunde bis zum Ende der Nutzung beobachtet werden sollen, um bis ins Detail festzuhalten, wie sich die Person in den Kommunikationsnetzen bewegt. Auch wird das Anfertigen von Bewegungsprofilen angestrebt.

Die EDRI hatte Anfang der Woche diesen jüngsten Vorschlag der Europäischen Kommission veröffentlicht. In vielen Punkten, schreibt die EDRI, gleiche der Kommissionsvorschlag dem hoch umstrittenen Vorschlag im Rat aus dem vergangenen Jahr. Mit der Einbeziehung von Kommunikationsdiensten wie Voice-over-IP gehe die Vorlage sogar noch weiter, warnte Oliver Süme vom Provider-Verband eco. Mobilfunkbetreiber dürften zudem wenig erfreut darüber sein, dass sie SMS- und Lokationsdaten für mindestens ein Jahr zu speichern haben. Allerdings hat die Kommission klar gemacht, dass die Direktive nur unter Beteiligung des Parlaments in einem so genannten Mitentscheidungsverfahren verabschiedet werden kann.

"Die Ratsvorlage ist allerdings noch nicht vom Tisch", sagte Maurice Wessling vom niederländischen Bits for Freedom im Gespräch mit heise online. Laut aktueller Informationen von EDRI will der Rat der Justiz- und Innenminister das Thema am 12. Oktober erneut auf die Tagesordnung setzen. Problem für die Justizminister: Eine Entscheidung muss einstimmig gefällt werden; dem steht ein klares Mandat des niederländischen Parlaments entgegen, das seinen Regierungsvertreter angewiesen hat, nicht zuzustimmen. "Das niederländische Parlament blockiert damit eine Ratsentscheidung", erklärte Wessling, "wie es sich zu einem Mitentscheidungsverfahren stellt, wissen wir allerdings nicht."

Der Berichterstatter des Parlaments Alexander Alvaro hatte angekündigt, das Parlament werde in einem Mitentscheidungsverfahren darauf bestehen, dass Notwendigkeit und Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen nachgewiesen werden müssen. Genau dazu aber, meint Wessling, sagt auch der Kommissionsvorschlag nichts Neues. Im Gegenteil, die Kommission räumt vielmehr ein, dass es derzeit praktisch keine wirklich aussagekräftigen Statistiken gebe. Diese sollen vielmehr nach der europaweiten Einführung der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung erst bei den Unternehmen erhoben und zur Evaluation herangezogen werden. "Der Nachweis soll also erst erbracht werden, wenn man die Speicherung schon eingeführt hat", kritisiert Wessling.

In den kommenden beiden Monaten wollen die Bürgerrechtler daher Unterschriften in ganz Europa sammeln, die Kommission und Parlament auffordern, Datenschutz und Grundrechte bei ihren Überlegungen ausreichend zu würdigen. Schon vor dem offiziellen Start der Aktion, der heute beim Auftakt zur Konferenz "What the Hack" erfolgen soll, haben über 1500 Personen die Petition unterschrieben.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen, siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)