Niederländische Provider verzichten auf Websperren

Die Arbeitsgruppe der großen holländischen Zugangsanbieter zur Blockade von Kinderpornographie im Netz hat den Justizminister des Landes, Ivo Opstelten, informiert, dass sie es als nicht notwendig ansieht, die Schwarze Liste anzuwenden.

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Niederländische Internetprovider wenden derzeit eine Selbstverpflichtungsvereinbarung zum Sperren von Webseiten mit Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs nicht an. Die Schwarze Liste müsse nicht implementiert werden, da es so gut wie keine einschlägigen kommerziellen Webangebote mehr gebe, teilte die zuständige Arbeitsgruppe der großen holländischen Zugangsanbieter dem Justizminister des Landes, Ivo Opstelten, mit. Die Beschwerdestelle für Missbrauchsbilder im Internet, der Meldpunt Kinderporno, habe die Provider zuvor darüber informiert, dass die Zahl der inkriminierten Webseiten 2010 seit Beginn der Meldetätigkeiten "drastisch" zurückgegangen sei.

Die "Werkgroep Blokkeren Kinderporno" der Plattform für ein sicheres Internet der Zugangsanbieter hat Opstelten bereits im November in einem Brief darüber informiert, dass die Websperren nicht aktiviert werden, und darum gebeten, das Schreiben (PDF-Datei) zu veröffentlichen. Dem kam die niederländische Regierung Anfang März nach. Die holländische Bürgerrechtsorganisation Bits of Freedom hat die Publikation des Briefs begrüßt und dessen Inhalte ins Englische übersetzt. Diese betont, sie habe ebenfalls schon immer darauf bestanden, dass eine Blockade von Webseiten mit Missbrauchsbildern kontraproduktiv sei.

Die Arbeitsgruppe selbst verweist in der Eingabe an das Justizministerium darauf, dass die Säuberung des Webs von Kinderpornographie seit Bestehen von Beschwerdestellen kein niederländisches Phänomen sei; in Großbritannien etwa sei die Entwicklung ähnlich verlaufen. Dort habe die nationale Hotline, die Internet Watch Foundation (IWF), ihre Schwarze Liste in den vergangenen beiden Jahren von anfangs über 2000 Webseiten pro Tag auf weniger als 400 verringern können. Dabei seien dort die Kriterien für einen Eintrag in die Liste viel weiter gefasst als in den Niederlanden.

Angesichts dieses Trends betont das Providergremium, Blockaden könnten nicht mehr als "zuverlässiges und effektives Mittel" im Kampf gegen Kinderpornographie angesehen werden. Schon vorab habe die Arbeitsgruppe gewusst, dass Sperren keine zu 100 Prozent wirksame Methode seien. Man habe dieses Mittel aber trotzdem als zusätzliche Barriere gegen einen mehr oder weniger unbeabsichtigten Zugang zu Missbrauchsbildern zunächst ins Auge gefasst. Die Hotline-Ergebnisse führten aber zu dem Schluss, dass zentrale Netzfilter derzeit nicht dazu beitrügen, die mit der Regierung in der Selbstvereinbarung umrissenen Ziele zu erreichen.

Ein IWF-Vertreter hatte zuvor in einer Anhörung im EU-Parlament zum Vorstoß der EU-Kommission zu Websperren erklärt, dass sich die Zusammenarbeit der Provider untereinander und das anschließende Löschen bereits stark auf die Verfügbarkeit von Kinderpornografie ausgewirkt habe. Statt "Tausenden" habe die britische Meldestelle inzwischen nur noch ein paar Hundert Webadressen auf ihrer Filterliste, die 60 Provider freiwillig einsetzen. Der Experte erläuterte weiter, dass prinzipiell auch legitime Inhalte blockiert werden und Sperren missbraucht werden könnten. Daher müsse darauf geachtet werden, dass Sperren verhältnismäßig und transparent angewendet werden. Parallel hatte die "European Financial Coalition" eine Studie zur starken Reduzierung kommerzieller Kinderporno-Webseiten und zum Abwandern von Tätern und Interessenten etwa in Peer-to-Peer-Netzwerke oder in private Zirkel in Social Networks herausgegeben. (anw)