Katastrophe in Japan: Bitkom warnt vor Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen

Der IT-Branchenverband ändert seine Einschätzung der Auswirkungen der japanischen Erdbeben-, Tsunami- und Reaktorkatatsrophen. Die meisten japanischen Firmen arbeiten aber mit Hochdruck daran, ihre Produktion wieder aufzunehmen.

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Von
  • Christof Windeck

Noch vor rund zwei Wochen meldete der deutsche IT-Branchenverband Bitkom, dass sich die Auswirkungen der dreifachen Katastrophe in Japan auf die Hightech-Märkte "vorerst in Grenzen" halten. Nun macht der Bitkom nach einer Umfrage unter stichprobenartig ausgewählten, "großen Händlern und Herstellern von Informations- und Kommunikationstechnik sowie Unterhaltungselektronik" allerdings "zunehmende Lieferengpässe" aus. Zudem beobachten demnach 21 Prozent der befragten Firmen Preissteigerungen bei Produkten, Komponenten oder Bauteilen.

Konkrete Aussagen in Bezug auf potenziell betroffene Bauteile und Produkte sowie über die Höhe von Preissteigerungen liefert der Bitkom indes nicht. Das scheint bisher auch schwer möglich, weil selbst die japanischen Firmen solche Aussagen nicht treffen. Starke Auswirkungen gibt es erwartungsgemäß bei ausschließlich in Japan gefertigten Spezialbauteilen wie bestimmten Luftmassensensoren der Firma Hitachi, bei denen mangelnder Nachschub bereits zu Produktionsausfällen bei mehreren Automobilherstellern geführt hat. Spekuliert wird zurzeit auch über drohende Lieferengpässe bei Laser-Leseköpfen für Blu-ray-Disc-Laufwerke, die Sony fertigt, sowie bei USB-3.0-PCIe-Hostadapterchips der Firma Renesas. Letztere betreibt jedoch wie viele andere japanische Halbleiterhersteller auch eine Reihe von Chip-Fabs außerhalb von Japan – zurzeit ist unklar, ob sich die Produktion dieser Bauelemente verlagern lässt.

Anscheinend arbeiten die meisten japanischen Firmen mit Hochdruck daran, ihre Produktion wieder aufzunehmen, schon um keine Aufträge an Konkurrenten zu verlieren. Die instabile Stromversorgung dürfte aber insbesondere Halbleiter-Fabs erhebliche Probleme bereiten. Selbst wenn die Produkte wieder mit voller Stückzahl gefertigt werden, könnten potenziell radioaktive Kontaminationen die Lieferkette beeinträchtigen. Auch diesbezüglich sind zurzeit wohl keine zuverlässigen Einschätzungen der Situation möglich. Teilweise sind Preissteierungen auf bloße Spekulation zurückzuführen; die taiwanische Speicherchipbörse DRAMeXchange.com meldet etwa je nach Flash-Typ um 5 bis 15 Prozent höhere Preise für NAND-Flash-Speicherchips, die in USB-Sticks, SSDs, Digicam-Speicherkarten sowie Smartphones und Tablets stecken. Der zweitgrößte NAND-Flash-Hersteller der Welt ist die japanische Firma Toshiba, deren Werke im Süden Japans aber angeblich problemlos weiterarbeiten.

Noch kaum abzuschätzen ist die Liefersituation bei Vorprodukten der Halbleiterbauelementefertigung wie Wafer oder Fotolacke sowie auf Bismaleimid-Triazin-(BT-)Harze, die in Leiterplatten und den Gehäusen von Halbleiterbauelementen zum Einsatz kommen. Mitsubishi Gas Chemical (MGC) ist einer der weltweit wichtigsten Hersteller dieser BT-Harze und plant, erst ab Anfang Mai wieder die volle Produktion aufzunehmen.

Mit Lieferschwierigkeiten bestimmter japanischer Komponenten ist also noch über Wochen oder gar Monate zu rechnen, doch es ist kaum vorhersagbar, wie sich das auf komplette Endprodukte auswirken wird. Dass in Japan selbst die Nachfrage nach elektronischen Produkten bisher hoch war, aber zurzeit wegen der unsicheren wirtschaftlichen Situation gesunken ist, dürfte auf geradezu zynische Weise die Liefersituation bestimmter Bauteile entschärfen. Es lässt sich also schon wegen der vielfältigen Wechselwirkungen der globalen Wirtschaft kaum vorhersagen, welche Produkte von Lieferschwierigkeiten oder Preissteigerungen betroffen sein könnten. (ciw)