Fußball-WM: Rudern im Bermuda-Dreieck

Beim "WM-Kickoff" der Polizei in Nordrhein-Westfalen war die Rede von einem "wenig belastbaren Stand" der Bedrohungsanalyse. Die Zuverlässigkeitsprüfungen und die Bestückung der Tickets mit RFID-Chips seien aber hochwirksame Mittel der Gefahrenabwehr.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf dem Workshop "Polizei & Medien", der als "WM-Kickoff" für die nun beginnende heiße Phase der Fußball-WM deklariert war, bekannte Polizeidirektor Michael Endler vom ZIS (der "Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze") in Neuss, dass man noch in einem Bermuda-Dreieck rudere. Täglich werden beim ZIS bis zu 1000 Informationen aus dem In- und Ausland ausgewertet, die bisher zu 25 Lagebildern zur Bedrohungsanalyse dieser Weltmeisterschaft geführt haben. Dennoch ist alles "auf einem noch wenig belastbaren Stand", erklärte Endler vor den im Kölner Rheinenergiestadion versammelten Journalisten.

Zu den positiven Punkten zählte Endler, dass die gefährlichen Hooligan-Szenen in England und besonders in Polen untereinander derart zerstritten sein sollen, dass keine Aktionen auf deutschem Boden erwartet werden. Als negativen Faktor bezeichnete Endler den "Handlungsdruck", der auf deutschen Schlägern liegt, allein des Heimvorteils wegen auf die Straßen ziehen zu müssen. Vom Urteil seines Stabes hängt viel ab in deutschen Landen: Setzt das ZIS die Gefährdungslage hoch, so wird der Alkoholausschank in den Stadien wie in den Public Viewing genannten Großveranstaltungen sofort eingestellt. Schon jetzt ist er in den Stadien auf 1 Liter pro Person pro Bestellung begrenzt. Als Maßstab für eine erfolgreiche Arbeit verwies Endler auf die Fußball-WM 1998 in Frankreich; dort endeten 3 von 64 Spielen in Krawallen mit erheblichen Schäden. Unter dieser Marke möchte man bei den anstehenden 64 Fußballspielen schon bleiben. Dafür werden im ZIS zur WM zwei tägliche Lagebilder erstellt, in denen auch die Erkenntnisse szenekundiger Beamten aller teilnehmenden Mannschaften enthalten sind, die über das ZIS in die Polizeiarbeit eingebunden werden.

Zuvor hatte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) erklärt, dass sein Bundesland mit drei Austragungsorten, 16 Spielen und 7 Mannschaftsquartieren ausreichend vorbereitet sei. 5000 Polizisten und 21.000 Helfer von der Feuerwehr bis zum Katastrophenschutz seien täglich allein mit der WM beschäftigt, was ausreichend sei: "Wir haben keinen Bedarf für einen Einsatz der Bundeswehr, auch nicht zum Schutz ziviler Objekte. Deutsche Soldaten haben vor Fußballstadien und Mannschaftsquartieren der Nationalmannschaften nichts verloren." Als hochwirksame Mittel der Gefahrenabwehr bezeichnete Wolf die Zuverlässigkeitsüberprüfung der Personen, die in Sicherheitszonen arbeiten und die Bestückung der Einlasstickets mit RFID-Chips. Bei den Überprüfungen seien bislang 430 Personen ausgeschlossen worden.

Die Personalisierung der Fußballtickets wurde unterdessen von Wolfgang Niersbach, Vizepräsident des WM-Organisationskomitees in Frankfurt, verteidigt. Niersbach widersprach der Befürchtung des FIFA-Präsidenten Blatter, der am Dienstag behauptet hatte, wegen der strengen Kontrollen würden die Stadien halb leer bleiben. Niersbach zufolge werden sich die Stadien schnell füllen, zumal sie drei Stunden vor Anpfiff geöffnet werden. "Es war besonders auch eine vorbeugende Maßnahme. Wenn aus Block 17, Reihe 12, Platz 35 eine Leuchtrakete abgeschossen wird, wissen wir sofort, wer das war." In den Stadien gibt es nun einmal kein Bermuda-Dreieck.

Zur Technik und zum Datenschutz bei der Fußball-WM 2006 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)