Kerntechnikexperte warnt vor möglicher Zuspitzung der Situation in Japan

Auch zwei Monate nach Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima könne es dort noch zu erheblichen Problemen kommen, sagt Michael Sailer, Mitglied der Reaktorsicherheitskommission.

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Auch wenn das havarierte Atomkraftwerk im japanischen Nordosten mittlerweile nur noch ab und an in den Schlagzeilen auftaucht, könnte sich die Situation dort jederzeit wieder verschärfen, sagt Michael Sailer, Mitglied der Reaktorsicherheitskommission (RSK) im Interview mit Technology Review. Es seien unter anderem noch Materialien vorhanden, die bei Überhitzung Wasserstoff bilden könnten und damit Knallgas. Weitere Explosionen seien deshalb nicht auszuschließen. "Es kann aber auch passieren, dass Teile der nach wie vor bestehenden Strukturen zusammenbrechen. Metall und Beton in den Gebäuden sind in den letzten Wochen in einer Weise belastet, für die sie nie ausgelegt waren – der hohe Druck, das eingeleitete Kühlwasser sind unberechenbare Faktoren." Hinzu kämen die Erdstöße durch mehrere Nachbeben. "Man kann noch gar nicht sagen, was die bewirkt haben."

Kritisch sieht Sailer auch die Situation in den Lagerbecken für Brennelemente. Das Becken in Block 4, das ständig in den Schlagzeilen war, sei dabei nur eines der Probleme. Es heize sich immer wieder in hohe Temperaturbereiche um 90 Grad auf, normal seien 25. "Man muss außerdem wissen, dass auch die Brennelementelagerbecken in den anderen drei Blöcken gegenüber der Atmosphäre freiliegen. Es geht also bei den Lagerbecken nicht nur um Block 4." Schließlich entweiche permanent Radioaktivität aus der Anlage. Eine stabile Kühlung sei nicht hergestellt.

Von der RSK erwartet Sailer, der zwischen 2002 und 2006 deren Vorsitzender war, Regelveränderungen auch in Deutschland. "Die jetzige Überprüfung ist der sogenannte Stresstest, bei dem man ermitteln will, was passiert, wenn schlimmere Ereignisse eintreten als das, was man bislang für die aktuelle Auslegung angenommen hatte. Man wird im zweiten Schritt dann überlegen müssen, welche schlimmeren Szenarien man in Zukunft für die sicherheitstechnische Auslegung unterstellen muss." Das werde aus seiner Sicht sicher zu Änderungen im kerntechnischen Regelwerk führen.

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(bsc)