Insolventer Scanner-Importeur mit massiven Urheberabgabe-Schulden

In einem langwierigen Rechtsstreit konnte die VG Wort ein Urteil erreichen, wonach ihr die Firma Visioneer 900.000 Euro an Kopiervergütungen schuldet. Doch einen Tag nach Zustellung des Bescheids war diese pleite.

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Ein aktueller Fall gibt der Debatte über die zukünftige Ausgestaltung der Urheberrechtsabgabe fürs private Kopieren neue Nahrung. In einem langwierigen Rechtsstreit konnte dabei die VG Wort im Namen der von der Rechte-Verwartungsgesellschaft vertretenen Kreativen ein Urteil erreichen, wonach ihr die Visioneer Deutschland GmbH 900.000 Euro an Kopiervergütungen schuldet. Doch genau einen Tag nach Zustellung des Bescheids galt die Tochter eines niederländischen Scannervertriebs von Amts wegen als pleite. "Dies zeigt symptomatisch, wie Importeure verfahren und die Kreativen um ihre Vergütung bringen", empört sich der VG-Wort-Vorstand Ferdinand Melichar gegenüber heise online über den Fall. Seine Gesellschaft hafte nun nicht nur als Zweitschuldner, sondern bleibe auch noch auf den Verfahrenskosten sitzen.

Melichar macht sich daher mit Nachdruck gegen die von der Bundesregierung geplante und heftig umstrittene Neuregelung der Kopiervergütung stark, die laut Urhebervertretern massive neue Rechtsstreitigkeiten über die vergütungspflichtigen Geräte heraufbeschwören und die Einnahmen der Kreativen massiv schmälern würde.

Die Auseinandersetzung mit der Visioneer GmbH zog sich über knapp sechs Jahre hin. Im September 2000 trat eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes in Kraft, wonach auch Kopiergeräte mit einer Leistung von weniger als zwei Vervielfältigungen pro Minute der Vergütungspflicht unterliegen. Im Normalfall rechnen Unternehmen aus der Geräteindustrie die entsprechenden Gebühren über den Branchenverband Bitkom ab. Visioneer gab für importierte Scanner allerdings keine Meldung ab. Nach einer entsprechenden Aufforderung der VG Wort teilte die Firma im Juli 2001 mit, dass im letzten Quartal 2000 keine Geräte eingeführt worden seien.

Im Frühjahr 2002 überprüft die Bayerische Treuhandgesellschaft im Auftrag der Verwertungsgesellschaft die Bücher von Visioneer und kommt zu dem Ergebnis, dass die Angabe nicht korrekt ist und sich das Unternehmen um die Zahlung der Vergütungsabgabe drücken wollte. Demnach stellte Visioneer in der Zeit vor Inkrafttreten der neuen Urheberrechtsregelung Proforma-Rechnungen, während die Lieferung der entsprechenden Geräte jedoch erst nach dem Stichtag im September geliefert wurden. Von einem echten Verkauf zu einem späteren Zeitpunkte hätte nicht die Rede sein können. Die VG Wort klagte daraufhin im Juli 2002 auf die Zahlung von 635.819 Euro zuzüglich Zinsen für die im letzten Quartal 2000 importierten Geräte.

Das Landgericht Düsseldorf setzte den Rechtsstreit im April 2003 zunächst aus, um der beklagten Firma die Anrufung der für Streitigkeiten über Urheberrechtsabgaben zuständigen Schiedsstelle beim Deutschen Patentamt zu ermöglichen. Diese sollte aufklären, ob der zwischen dem Bitkom und der VG Wort abgeschlossene Gesamtvertrag auf den Vorgang anwendbar ist. Erst knapp zwei Jahre später entschied die Mediationsinstanz, dass die Vereinbarung mit der Interessensvertretung der Geräteindustrie nicht greife, weil sich Visioneer nicht an deren Bedingungen gehalten habe. Darüber hinaus stellte die Schiedsstelle ebenfalls fest, dass die Auskunft der Firma über angeblich nicht ausgelieferte Geräte im letzten Quartal 2000 falsch gewesen sei.

Dennoch musst die VG Wort im Januar 2006 vor dem Landgericht Düsseldorf zunächst eine juristische Niederlage einstecken, da dieses die Klage der Verwertungsgesellschaft ablehnte. Visioneer sei lediglich als Transporteurin für die niederländische Mutter tätig geworden, lautete die Begründung. Das von der VG Wort angerufene Berufungsgericht hob den Beschluss der niederen Instanz jedoch Ende Oktober auf und verurteilte Visioneer, einschließlich der aufgelaufenen Zinsen 900.000 Euro an die Verwertungsgesellschaft zu entrichten. Am 21. November ging das Urteil der Firma zu. Doch schon einen Tag später ordnete das Amtsgericht Kleve das Insolvenzverfahren gegen den Scanner-Importeur an, von dem nichts mehr zu holen sein dürfte.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)