Bibliothekare nehmen Politiker bei der Digitalisierung in die Pflicht

Beim 100. Bibliothekartag wurde monierte, dass die ersten Berichte der Internet-Enquete des Bundestags die Rolle von Bibliotheken mit keinem Wort erwähnen. Gleichzeitig gibt es Sorgen um die schleppende Bestandsdigitalisierung der Bibliotheken.

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Mitglieder der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Bundestags stellten sich am Freitag auf dem 100. Bibliothekartag in Berlin der Diskussion mit mehreren hundert Hütern des gedruckten Wissens. Teilnehmer der Konferenz beklagten dabei vor allem, dass die ersten Berichte des parlamentarischen Vorzeigegremiums die Rolle von Bibliotheken mit keinem Wort erwähnen. "Wir haben beim Thema Medienkompetenz zunächst an Kindergärten und Schulen gedacht", versuchte sich Thomas Jarzombek an einer Rechtfertigung. Der CDU-Politiker betonte, dass es in der von ihm betreuten einschlägigen Arbeitsgruppe vor allem um den Jugendschutz gegangen sei. Bücherhallen seien ihm dabei nicht als "Trainingszentren für den Umgang mit Gewaltinhalten" in den Sinn gekommen.

Ein Rechtsexperte des Deutschen Bibliothekenverbands (dbv) forderte dagegen zumindest einen Passus in einem der derzeit finalisierten Zwischenberichte ein, in dem "die zentrale Rolle der Bibliotheken in der digitalen Welt" betont werden solle. Jarzombek versprach schließlich eine Nachbesserung in Form einer entsprechenden Handlungsempfehlung. Zugleich betonte er, dass die Kommission "keine gesetzgeberische Kompetenz" habe.

Hermann Parzinger, Vorstandssprecher des Kompetenznetzwerks Deutsche Digitale Bibliothek (DDB), machte sich vor allem Sorgen um die schleppende Bestandsdigitalisierung hierzulande. So stammten von den mehreren Millionen Büchern, die derzeit über das europäische Digitalisierungsportal Europeana zugänglich seien, erst rund 500.000 aus Deutschland. Über 90 Prozent davon seien wiederum von Google im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts mit der Bayerischen Staatsbibliothek in München gescannt worden. Hierzulande beträfen die Mittel, die jährlich vom Staat für die DDB bereit gestellt werden, nur den Aufbau und den Pilotbetrieb, nicht die Digitalisierung selbst. Es reiche aber nicht aus, immer nur von der Politik mehr Geld zu verlangen. Zunächst müsse in den eigenen Reihen vermittelt werden, "dass Digitalisierung eine Kernaufgabe von Bibliotheken ist". Angst vor der Zusammenarbeit mit kommerziellen Anbietern, die auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) jüngst anmahnte, brauchen Bibliothekare Parzinger zufolge nicht haben. Es sei nur darauf zu achten, "dass die Konditionen stimmen", erklärte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, begrüßte alle Ansätze, um Wissen und Kultur "transparent und demokratisch zur Verfügung zu stellen". Bei Kooperationen mit Privaten habe er dabei aber "immer etwas Bauchschmerzen". Jarzombek sekundierte, dass auch ihm Google in diesem Bereich "suspekt" sei. Die von den Kaliforniern entwickelte Technologie zum Scannen habe aber eine gewisse Perfektion erreicht. (jk)