Ein Jahr als Infineon-Chef: Ziebart auf vielen Baustellen
Wolfgang Ziebart trat am 1. September 2004 den Chefposten bei Infineon an -- nun muss er nicht nur mit dem Abschwung der Halbleiterbranche, sondern auch mit internen Querelen und einer Umorganisation des Konzerns fertig werden.
Ein Jahr nach seinem Amtsantritt hat Infineon-Chef Wolfgang Ziebart an zahlreichen Fronten zu kämpfen. Europas größter Chipkonzern bereitet derzeit intern eine mögliche Aufspaltung vor, das Werk am Stammsitz München steht vor der Schließung, die Halbleiter-Branche befindet sich, ganz im Rahmen ihres Schweinezyklus, im Abschwung, und die Korruptionsaffäre um den zurückgetretenen Vorstand Andreas von Zitzewitz ist noch nicht restlos aufgeklärt. "Ziebart versucht, eine Baustelle nach der anderen abzuarbeiten", sagt einer aus seinem Umfeld.
Als Ziebart am 1. September 2004 bei Infineon antrat, wusste er, dass es nicht leicht werden würde. Der Manager kam vom Autozulieferer Continental, der in einer deutlich berechenbareren Branche aktiv ist. Die Chipbranche dagegen hat traditionell mit heftigen zyklischen Abschwüngen und drastischem Preisverfall zu kämpfen. Daher gab es in der Branche auch skeptische Stimmen, als Ziebart die Nachfolge des geschassten Vorstandsvorsitzenden Ulrich Schumacher antrat. Zumindest atmosphärisch aber hat sich vieles verbessert. Kapital- und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat loben seine umgängliche Art und seine Team-Orientierung. "Es ist ruhiger geworden bei Infineon als unter dem schillernden Schumacher. Es wird weniger geredet und mehr umgesetzt", heißt es bei der IG Metall.
Für die Arbeitnehmer sei dies aber durchaus auch gefährlich, wie die angekündigte Schließung des Werks in Perlach zeige. Um einen Teil der 800 Arbeitsplätze zu retten, verhandelt Ziebart derzeit mit dem Erfurter Halbleiterhersteller X-Fab, der die Fertigungsstätte bei einer Mitgift von Infineon eventuell übernehmen will. Allerdings wurden die Erfolgsaussichten am Montag in Branchenkreisen weiterhin skeptisch beurteilt. "Es sieht sehr schwierig aus." Mit der Trennung von dem Werk will Ziebart weiter gegen die Ertragsschwäche von Infineon kämpfen. In den vergangenen Quartalen fiel das Unternehmen einmal mehr durch hohe Verluste auf. Seit dem Amtsantritt Ziebarts ist denn der Infineon-Aktienkurs auch von gut 8 auf 7,65 Euro am Montag weiter gesunken. Schumacher hatte das Unternehmen im Börsenboom des Jahres 2000 zu einem Preis von 35 Euro je Aktie an die Börse gebracht.
Ziebart hat lange auf das Feilen am Detail gesetzt. Akribisch nahm der studierte Maschinenbauer, der lange für BMW arbeitete, jeden Verlustbringer unter die Lupe und arbeitete sich intensiv auch in Spezialfragen ein. "Er ist ein Arbeitstier", sagt ein Unternehmenskenner. Möglicherweise reichen viele kleine Schritte aber nicht aus, um sich in der schwierigen Branche zu behaupten. Daher prüft auch Ziebart inzwischen radikale Lösungen. Im Fokus steht dabei eine Abspaltung der volatilen Speicherchip-Sparte, die in den vergangenen Jahren für einen Großteil der Verluste verantwortlich war. "Dass daran gewerkelt wird, ist klar", heißt es in Unternehmenskreisen. So wurden zum Beispiel die Fabriken und Forschungsabteilungen im Konzern jeweils einem Unternehmensbereich klar zugeordnet, was eine Abtrennung der DRAM-Sparte erleichtert.
Zwar nahm Infineon angesichts der Korruptionsaffäre um Zitzewitz, der ein abgespaltenes Speicher-Unternehmen führen sollte, von Börsenplänen erst einmal wieder Abstand. Laut Branchenkreisen sucht der Konzern aber intensiv nach einem Partner. Dieser könnte möglicherweise der taiwanische Nanya-Konzern sein, mit dem Infineon bei Speichern bereits kooperiert. Im Falle einer Trennung von der DRAM-Sparte würde Infineon auf etwa 40 Prozent seiner Umsätze verzichten und sich ganz auf die Felder Auto und Industrie sowie Kommunikation konzentrieren. (Axel Höpner, dpa) / (jk)